68
Kap. II. § 28.
sie; sie könnte gar nicht existieren, auch nicht als Gedanke,
geschweige als das, als was sie sich doch in uns fühlt und
weiß: als Sinn und Kraft des Lebens, des All-lebens, welches
nicht anders als eines sein kann, sonst wäre es nicht alles.
Aller Beweis der Bedingtheit alles dessen, was wir von den
Dingen zu kennen vermögen, ändert daran nicht nur nichts,
sondern kann zuletzt nur es bestätigen, denn alle diese gren¬
zenlosen Bedingtheiten könnten, eben in ihrer Grenzenlosig¬
keit schon ihrem Begriff nach, vollends in Wirklichkeit, nach
der letzten Wahrheit des Seins, nicht bestehen, anders als
unter Voraussetzung nicht eines, sondern des letzten Un¬
bedingten, in keinem Sinne mehr Bedingten. Dieses kann
keine Philosophie, d. h. kein folgerechtes Durchdenken der
Dinge umgehen oder in Abrede stellen wollen. Es schlummert
in allem, es schlummert nicht bloß und spricht nicht bloß wie
im Traum, sondern erwacht und weiß sich in den Wissenden.
Aber es ist nicht bloß in allem Wissen das letzte Wissende,
sondern erst recht in allem Wollen das letzte Wollende. Dies
beides ist übrigens jedes vom andern untrennbar; das Wollen
aber übertrifft das bloße Wissen weit an Unmittelbarkeit der
Zurückbeziehung auf den unendlichen Quell. Im Wollen hegt
eine direkte Unendlichkeitsbeziehung und zugleich Indivi¬
dualbeziehung, die dem bloßen Wissen unerreichbar bleibt.
Indessen ist dies doch noch nicht das Letzte von Indivi-
duität. Es weiß vom Letzten, aber weiß nicht es selbst. Es
weiß, daß es ist, und empfängt von ihm die Richtung, aber
bleibt selbst in der Endlichkeit, im endlosen Fortgang von
Ende zu Ende. Es hat, wie schon gesagt, gleichsam den einen
Pol im Endlichen, nur den andern im Uberendlichen. Darum
bleibt es eben im Wollen und Sollen, im Zielstreben, welches
gerade zur Voraussetzung hat das Nicht-am-Ziel-sein. Es
trägt in sich die Zielrichtung auf das Unbedingte hin, aber
nicht es selbst, das Unbedingte. Soll die ganze Tiefe des
Sinnes des Wollens und der Handlung sich erschüeßen, so muß