Grund kategorien.
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§ 28. Wir sprechen von Leben. Was ist Leben? Hier
sind zwei Begriffe streng auseinander zu halten. Die sehr
losen, ungenauen Ausgrenzungen aus der unendlichen Ver¬
flechtung des Gesamtgeschehens, die wir Leben des einzelnen
Lebendigen zu nennen gewohnt sind, sind gewiß nichts, was
unangreifbar in sich Bestand hätte. Wir sehen vielmehr, daß
es fort und fort sich wandelt, neubildet, wächst, allmählich
abstirbt und endlich ganz vergeht. Aber doch auch jedes
Mindeste an ihm, welches sich uns, weil wir es an uns selbst
so kennen, als ein Zeichen des Lebens zu erkennen gibt, muß
wohl entstammt sein aus — und in Zusammenhang stehen
mit — dem anderen, großen Leben, von dem es höchstens ein
einzelner Atemzug, eine flüchtige Zuckung ist, welches selbst
aber, eben weil für es keine solche äußerliche Abgrenzung
gilt, wie für das Einzelne, das wir einLebendiges nennen, auch
nicht dem gleichen Zwange des Kreislaufs von Geburt »Wachs¬
tum, allmählichem Absterben und dann gänzlichem Totsein
unterliegt, sondern, als Quell alles Lebens selbst — nicht ein
Lebendiges neben anderem, aber das Leben selbst ist und
darum des Einmal-geworden-seins und Einmal-nicht-mehr-
seins nicht teilhaftig sein kann. Es gäbe aber auch nicht ein
Leben, wenn es nicht das Leben gäbe. Das Leben lebt aus
sich, todlos, sterbensunfähig. Aber auch, was nur ein Leben
ist oder ein Leben hat, muß doch (so folgert Plato) teilhaben
an dem Leben „selbst" und an seiner Unsterblichkeit, Ster¬
bensunfähigkeit. Es (das Leben) spricht in ihm (dem ein¬
zelnen Lebendigen), in seiner unleugbaren, ihm selbst lebendig
bewußten Eigenheit, unvertauschbaren Einzigkeit, Indivi-
duität. Es offenbart sich in ihm, zum mindesten ihm selbst,
in der ihm ureigenen inneren Determination, Gerichtetheit,
Hingestimmtheit, Intention auf die Alleinheit des Lebens.
Die überendlich-individuale Einheit des Lebens fordert in ihm
sich selbst, und fordert nicht bloß, sondern weiß sich; sonst
wüßten wir nicht, wüßte überhaupt niemand und nichts um
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