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Kap. II. § 23.
sein Werden und Erscheinen selbst wird und erscheint doch
nicht nur, sondern ist irgendwie, es muß also irgendwie seine
Stelle haben in dem, was an sich ist und selbst nicht nur
werdend, nur erscheinend ist. Woher weiß ich denn das, da
ich ein Sein, über das Werden und Erscheinen hinaus, doch
nicht erfasse, da es zu erfassen ganz ausgeschlossen ist ? Ant¬
wort: es gibt gar kein Woher ich weiß es, ich weiß es nirgend¬
woher, sondern was immer ich weiß, weiß ich zuletzt nur von
ihm her. Es selbst aber weiß sich seiend, indem daß es ist.
So weiß jedenfalls ich mich selbst und mein Dies-wissen. Bei
dem kann für mich (der ich eben bin) keine Frage mehr sein.
Erscheine ich mir nicht etwa nur; erscheint mir am Ende nur
dies Mir-erscheinen — und so, wenn Sie wollen und Zeit dazu
haben, ins Unendliche weiter, denn die Frage würde sich ins
Unendliche wiederholen und ins Unendliche nur immer wieder
die gleiche Antwort finden. Ich bin und Es ist, und auch
das Werden, das Erscheinen des ,,Es“, mit all seinem Wider¬
spruch, ist irgendwie. Nur ist dies ewig zweierlei, das In-
sich-Sein und das Werden oder Erscheinen. Es wird, es er¬
scheint nur, was irgendwie ist, aber sein Werden oder Er¬
scheinen ist nicht sein letztes Sein. Indessen der Sinn des
Seins liegt doch in ihm, d. h. es weist zwingend hin auf es und
hat allen seinen Sinn nur durch es und in und an ihm. Das
ist, was etwa Kant nennt das Sinnliche und das Intelligible;
das Sinnliche — ich sagte das Er faß liehe, das was irgendwie
greifbar vorliegt — und das Intelligible: das darunter Ver¬
standene, Zuverstehende, nie für uns greifbar Vorliegende,
gleichsam nur zwischen den Zeilen zu Lesende, aber unzweifel¬
haft seiende. Es wird nicht erfaßt, aber es ist; es muß doch
etwas sein, wo etwas erfaßt werden soll und, wenn noch so
bedingt, gleichsam nur am äußersten Zipfel, erfaßt oder be¬
rührt wird.
§ 23. Diese Intention auf das Intelligible hat an dem Be¬
griff der Substanz besonders stark Leibniz hervorgehoben.