Full text: Vorlesungen über praktische Philosophie

Grundkategorien. 
39 
sein soll, im Bereiche der Möglichkeit des Seins oder Ge¬ 
schehens liegen. Aber Inhalt des Wollens ist die Möglichkeit 
so wenig wie die Wirklichkeit des Seins oder Geschehens. Das 
Willensurteil mag das Möglichkeitsurteil zur Voraussetzung 
haben, es selbst ist nicht oder schließt in sich das Urteil, es 
sei möglich. Übrigens kann die Möglichkeit objektiv (und 
auch subjektiv, doch danach fragen wir jetzt nicht) durchaus 
zweifelhaft sein; sie ist es am meisten gerade in den ernstesten 
Fällen, wo ein Willensurteil am Platze ist, z. B. Ich will gut 
sein, will Treue bewahren, dem Andern und mir selbst; ob es 
mir aber unter allen Umständen möglich sein wird, das weiß 
ich nicht, davon hängt wohl die Wirksamkeit meines Wollens 
ab, nicht aber mein Wollen; vielmehr je zweifelhafter, objek¬ 
tiv angesehen, die Möglichkeit, um so mehr bedarf es des Wol¬ 
lens. Ganz in seiner Eigenheit und Unabhängigkeit beweist 
es sich gerade dann, wenn in ihm von der objektiven Möglich¬ 
keit oder Nicht-Möglichkeit ganz abgesehen wird. Sei aber 
auch der Sinn: Ich will, und ich hoffe, ich kann auch, nun so 
sind das zwei Urteile, und nur das erste ist ein Willensurteil, 
das zweite ein Urteil über tatsächliches Bestehen, hier der 
Möglichkeit; das letztere ist im ersteren durchaus nicht ent¬ 
halten, sondern steht selbständig daneben; es mag sich mit 
ihm sehr naheliegend verbinden, aber ist für es nicht unerlä߬ 
liche Voraussetzung. Das Möglichkeitsurteil mag falsch sein, 
das Willensurteil besteht darum nicht weniger. Jedenfalls — 
und das genügt hier — besagt es etwas durchaus anderes; es 
ist, eben als Willensurteil, der Art nach so verschieden vom 
tatsächlichen Urteil, daß es schon deshalb nicht von ihm 
logisch abhängig sein kann. Aus einem Urteil über Tatsachen, 
sei es deren Wirklichkeit, Notwendigkeit oder Möglichkeit, 
folgt niemals ein Willensurteil, so wenig wie umgekehrt. Beide 
können sich verbinden durch gemeinsame Beziehung, aber sie 
beziehen sich auf dasselbe (nämlich daß das und das sei oder 
geschehe) in qualitativ so verschiedenem Sinne, daß irgendein
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.