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Kap. III. § 57.
mag sich nicht anders zu denken, weil es sich nicht anders tut.
Alles aber, was überhaupt an Wirksamkeit teilhat, hat damit
teil an diesem letzten einen All-Wirken; denn auch nicht das
Einzelne wirkt zuletzt, sondern es wirkt in jedem Einzelnen
und weiß in ihm sich wirkend. Diese letzte Selbstheit des
Wirkens und des Wissens ist ihrem ganzen Wesen nach in aller
Sonderung zugleich über aller Sonderung; sie ist in aller Son¬
derung auf die Ureinheit, die zu ihr sich ersondert, ewig ge¬
richtet, denn es ist nur das Eine, welches sich in sich selbst
besondert, um aus der Besonderung ewig zugleich in die Ur¬
einheit wieder zurückzugehen. Es ist in allem Streben, als
letzter, überendlicher Richtpunkt des Strebens, in jedem Ein¬
zelnen, in jedem Lebensmoment jedes Einzelnen lebendig
gegenwärtig. Diese Beziehung zur letzten Einheit braucht
nicht immer ihm bewußt zu sein, aber sie kann in ihm, sei es
auch nur augenblicksweise, zum Bewußtsein aufleuchten; im
Unterbewußtsein darf man sie sich beständig gegenwärtig
denken, so daß, und eben darin, daß sie die Richtung des
Strebens bestimmt. Das Streben mag, so wie es sich selbst
bewußt ist, aufs Nächste, Niederste, Nichtigste zu gehen schei¬
nen; wahrhaft erschöpft und befriedigt es sich in nichts Schein-
haftem,Vorübergehendem, greifbar nahe oder nur in me߬
barem Abstand Vorschwebendem, sondern entflammt sich nur
neu an jedem erreichten endlichen Ziele, in dem es, kaum er¬
reicht, immer wieder in das unauslöschlich fortglimmende oder
fortlodernde Feuer auf flammt und über sein vermeintes Ziel
hinausdrängt zu ferneren und ferneren Zielen, bis es inne wird,
daß das Ziel in gar keiner räumlichen oder zeitlichen Ferne zu
suchen, sondern überall und immer gleich gegenwärtig, ewig
gegenwärtig und doch ewig erst ersehnt, der ewige Erreger
alles Strebens, sein ewig sicheres, unbewegliches Ziel und da¬
mit sein — dem Streben selbst freilich unendlich fern bleiben¬
der — Ruhepol ist. So ist das Streben und in ihm die Hand¬
lung nie richtungslos, in allem Wandel nie einheitslos, in aller