IS
Mythus und Kultur
Sinn, Endlichkeiten und Unendlichkeiten, wechselnden
und jeweiligen Inhalten und ewigen Formen, wechseln¬
den und jeweiligen Formen und ewigen Inhalten aus.
Und sie baut sich in dieser Dialektik auf.
Aus der Welt des Geschichtlich-Tatsächlichen nährt
unser Geist seine Unruhe; denn diese Welt ist kein
Ganzes. Ferner ermangelt sie ganz des sinnhaften Er¬
fülltseins. Über den Geist Europas wäre nicht jene
Überbewegtheit und Aufgewühltheit gekommen, hätte
er nicht in allzu energischer und allzu einseitiger Weise
sich nur auf Tatsächlichkeiten eingestellt. Der Be¬
ziehung auf das Bloß-Tatsächliche entkeimt die Pro¬
blematik, trotzdem die Gewinnung und Bewahrung
des Empirischen und die Herrschaft über das Er¬
fahrungsmäßig-Gegenständliche eine der Hauptauf¬
gaben aller Kultur sind und bleiben.
Aber die Problematik muß überwunden werden,
weil das Empirische und Gegebene, das Endliche und
Konkret-Notwendige nur die eine Seite in der Univer¬
salität des Lebens ist, weil esseine Hinaus- und Hinauf¬
führung zu einem Absoluten innerlich verlangt. Denn
wo von einer Einheit und Gesetzlichkeit der Erschei¬
nungen gesprochen, wo nach einer solchen Einheit und
Gesetzlichkeit gesucht wird — und auf welchem Ge¬
biet des geschichtlichen Lebens könnte ein derartiges
Suchen und Forschen unterlassen oder unterbunden
werden ? — da wird das Gegebene an ein Ewiges an¬
geknüpft, da vollzieht sich die Erhebung zum Reich
des Absoluten. Welche Gestalt aber auch immer diese,
unter jedem Betracht gebotene Erhebung aufweisen
mag, stets und unweigerlich erfolgt sie in der Form
und unter der Voraussetzung eines Mythus. Das soll
keineswegs heißen, daß das Absolute zu einem Mythus
gestempelt oder nur als ein Mythus angesehen würde.
Geschähe dies, so würde ja der Relativismus nicht
überwunden werden, dem man doch gerade durch die