liehen Könnens. Unbedeutende Leistungen dagegen sind
um so weniger etwas Schönes, je schwieriger sie sind; sie
sind zwar Zeichen von Können, aber eines unnützen
Könnens, und zugleich das Merkmal eines Geistes, der
nichts Großes unternimmt.
Künste von anderen gelernt zu haben, d. h. gelehrt zu
sein, ist zwar etwas Nützliches, aber nicht etwas Schönes,
da es nichts Ungewöhnliches an sich hat; schließlich gibt
es nur wenige Menschen, denen man nichts beibringen
kann.
In Gefahren etwas zu wagen, wenn es die Lage er¬
fordert, ist etwas Schönes; denn es ist etwas nicht Ge¬
wöhnliches. Wenn es dagegen die Lage nicht erfordert,
ist es Torheit, d. h. etwas Häßliches. Überall im Einklang
mit seinem Geiste und Berufe zu handeln, ist bei her¬
vorragenden Männern etwas Schönes, als ein Zeichen
eines freien Geistes. Im Widerspruch mit ihnen zu han¬
deln, ist bei hervorragenden Persönlichkeiten etwas Hä߬
liches und verrät eine knechtische Gesinnung, die etwas
zu verbergen hat. Etwas Schönes aber verbirgt niemand.
Das Rechte zu tadeln, ein Zeichen der Unwissenheit, ist
etwas Schimpfliches; denn Wissen ist Können. Obendrein
zu schmähen, ist noch schimpflicher und das Kennzeichen
eines Ungebildeten. Irren ist nichts Schimpfliches, da es
allen gemeinsam ist. Einem Gelehrten aber ziemt es nicht,
allzu oft zu irren; das widerstreitet seinem Beruf. Selbst¬
vertrauen ist etwas Schönes; denn es ist das Kennzeichen
eines Menschen, der sich seiner Tüchtigkeit bewußt ist.
Prahlerei ist schimpflich; denn sie geht aus Mangel an
Lob hervor.
Verachtung nicht bedeutenden Reichtums ist etwas
Schönes; denn sie ist das Zeichen eines Menschen, der Ge¬
ringes nicht bedarf. Liebe zum Geld ist etwas Schimpf¬
liches; denn sie ist das Zeichen eines Menschen, der durch
Lohn zu allem gebracht werden kann. Außerdem ist sie
ein Zeichen der Bedürftigkeit auch bei reichen Menschen.
Einem, der um Verzeihung bittet, zu vergeben, ist
etwas Schönes; denn es ist em Zeichen von Selbstver¬
trauen. Gegner durch Wohltaten zu versöhnen, ist etwas
Schimpfliches; denn es ist ein Sich-selbst-loskaufen und
ein Erkaufen des Friedens, somit ein Zeichen der Be¬
dürftigkeit. Denn die Menschen pflegen nur zu kaufen,
dessen sie bedürfen.
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