kommen macht, andererseits seiner Leistung die Voll¬
kommenheit verleiht. Die Tüchtigkeit des Auges macht
z. B. das Auge selbst und seine Leistung gut, da sie be¬
wirkt, daß wir gut sehen. Desgleichen macht die Tüchtig¬
keit des Pferdes, daß es selbst gut ist, und daß es gut läuft,
den Reiter gut trägt und vor dem Feinde gut stand hält.
Wenn sich dieses nun bei allem so verhält, so muß auch
die Tugend des Menschen ein Habitus sein, vermöge
dessen er selbst gut ist und sein Werk gut verrichtet.
Wie das geschehen könne, haben wir schon angegeben,
stellt sich aber auch noch auf anderem Wege heraus, wenn
wir betrachten, von welcher Art die Natur der Tugend ist.
In allem, was kontinuierlich und was teilbar ist, läßt sich
ein Mehr, ein Weniger und ein Gleiches an treffen, und
zwar entweder mit Rücksicht auf die Sache selbst oder
mit Rücksicht auf uns. Das Gleiche aber ist ein Mittleres
zwischen Übermaß und Mangel. Mittleres der Sache nach
nennen wir dasjenige, das von beiden Enden gleich weit
entfernt ist, und dieses ist bei allem eines und dasselbe,
dagegen Mittleres für uns, was weder ein Übermaß noch
einen Mangel hat, und dieses ist nicht bei allem eines und
dasselbe. Wenn z. B. zehn viel sind und zwei wenig, so
nimmt man sechs für das der Sache nach Mittlere, weil
es um gleich viel mehr und weniger ist. Das ist die Mitte
nach dem arithmetischen Verhältnisse. Das Mittlere für
uns kann dagegen nicht so bestimmt werden. Wenn für
jemanden zehn Pfund zu verzehren viel sind und zwei
Pfund wenig, so wird der Ringmeister nicht sechs vor¬
schreiben. Denn auch das ist vielleicht für den, der sie
zu sich nehmen soll, viel oder wenig, wenig für einen
Milo1, viel für einen Anfänger in den Übungen. Das¬
selbe gilt für den Wettlauf und Ringkampf. So meidet
denn jeder Kundige das Übermaß und den Mangel und
sucht und wählt die Mitte, nicht die Mitte der Sache nach,
sondern die Mitte für sich.
Wenn nun jede Wissenschaft und Kunst ihre Leistung
dadurch zu einer vollkommenen gestaltet, daß sie auf die
Mitte sieht und dieselbe zum Zielpunkte ihresTuns macht
— deswegen pflegt man ja von gut ausgeführten Werken
Zusagen, es lasse sich nichts davon und nichts dazu tun,
1 Ein durch seine Kraftleistungen wie sein Eßvermögen gleich
berühmter Athlet.
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