Full text: Ethik

Gefühle empfänglich macht, was uns z. B. befähigt, Zorn 
oder Trauer oder Mitleid zu empfinden; als Habitus end¬ 
lich das, was macht, daß wir uns in Bezug auf die Affekte 
richtig oder unrichtig verhalten, wie wir uns z. B. in 
Bezug auf den Zorn unrichtig verhalten, wenn er zu stark 
oder zu schwach ist, richtig dagegen, wenn er die rechte 
Mitte hält, und ähnliches gilt für die übrigen Affekte. 
Affekte nun sind die Tugenden und die Laster nicht, 
weil wir nicht wegen der Affekte tugendhaft oder laster¬ 
haft genannt werden, wohl aber wegen der Tugenden und 
Laster, und weil wir nicht wegen der Affekte gelobt und 
getadelt werden — denn man wird nicht gelobt, wenn 
man sich fürchtet oder wenn man zornig wird, sondern 
wenn es auf bestimmte Weise geschieht —, wohl aber wird 
uns wegen der Tugenden und der Laster Lob oder Tadel zu 
teil. Ferner werden wir zornig und geraten in Furcht 
ohne vorausgegangene Selbstbestimmung, die Tugenden 
aber sind Akte der Selbstbestimmung oder können doch 
von diesem Akte nicht getrennt werden. Überdies sagen 
wir, daß wir durch die Affekte bewegt, durch die Tugenden 
und Laster aber nicht bewegt, sondern in eine bestimmte 
bleibende Disposition gebracht werden. 
Aus diesen Gründen sind die Tugenden auch keine 
Vermögen. Denn wir heißen nicht darum gut oder böse, 
weil wir das bloße Vermögen der Affekte besitzen, noch 
werden wir darum gelobt oder getadelt. Überdies sind die 
Vermögen Naturgabe, gut oder böse aber sind wir nicht 
von Natur, wie wir schon oben ausgeführt haben. 
Wenn nun die Tugenden keine Affekte und auch keine 
Vermögen sind, so bleibt nur übrig, daß sie ein Habitus 
sind. 
So hätten wir denn erklärt, was die Tugend der Gattung 
nach ist. 
b) im besonderen: sie ist ein Habitus, durdi den 
wir die vernünftige Mitte treffen. 
Nikomachische Ethik II, 5—7. 
Aber diese Bestimmung, daß die Tugend ein Habitus 
ist, reicht nicht hin; wir müssen auch angeben, welcher 
Art derselbe ist. 
Hier ist zu sagen, daß jede Tugend oder Tüchtigkeit 
einerseits dasjenige selbst, woran sie sich findet, voll- 
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