übersteht und in freier Uebereinstimmung mit ihm das¬
selbe wollen lernt; denn Wille im Vollsinn des Worts be¬
deutet Selbstbewußtsein.
Der Begriff der Sozialpädagogik besagt also die grund¬
sätzliche Anerkennung, daß ebenso die Erziehung des
Individuums in jeder wesentlichen Richtung sozial be¬
dingt sei, wie andrerseits eine menschliche Gestaltung
sozialen Lebens fundamental bedingt ist durch eine ihm
gemäße Erziehung der Individuen, die an ihm teilnehmen
sollen. Danach muß dann auch die letzte, umfassendste
Aufgabe der Bildung für den Einzelnen und für alle
Einzelnen sich bestimmen. Die sozialen Bedingungen
der Bildung also und die Bildungsbedingungen des sozi¬
alen Lebens, das ist das Thema dieser Wissenschaft.
Und dies betrachten wir nicht als zwei von einander
trennbare Aufgaben, sondern als eine einzige. Denn die
Gemeinschaft besteht nur im Verein der Individuen, und
dieser Verein wiederum nur im Bewußtsein der Einzel¬
glieder. Das letzte Gesetz ist daher für beide, Indivi¬
duum und Gemeinschaft, notwendig eins und dasselbe.
Diese Einsicht ist aber zugleich von entscheidender
Bedeutung für ein wissenschaftliches Verständnis
des sozialen Lebens selbst. Die Gemeinschaft ist
kein starrer, invariabler Faktor, so wenig wie das Indi¬
viduum. Sie unterliegt gleich diesem der Entwicklung,
und diese Entwicklung muß schließlich denselben all¬
gemeinen Gesetzen folgen wie die Entwicklung des
Individuums. Die Kenntnis wenigstens ihrer obersten
Gesetze ist zugleich die Voraussetzung auch jeder ernst¬
haften Erwägung des Einflusses, den die Gemeinschaft
auf die Bildung des Einzelnen übt und üben soll. Also
darf eine wahre Sozialpädogogik der Frage nach den
Grundgesetzen des Gemeinschaftslebens nicht
ausweichen. Auch muß diese Frage aus unsern Prinzipien
beantwortbar sein, eben weil die allgemeinen Bildungs¬
gesetze der Gemeinschaft, nach der großen Einsicht
Platos, notwendig zuletzt identisch sind mit den Bil¬
dungsgesetzen des Individuums. Es ist also das, jetzt
schon in einigen Hauptlinien vor uns stehende und bald
näher auszuführende Bild der gesetzmäßigen Entwick¬
lung des Einzelnen zu vergrößern zu den Dimensionen
der Gemeinschaft. An der Spitze steht das Grundgesetz
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