Full text: Ethik

eigentümlichen Wert eines jeden in seinem Dienste ver¬ 
wendet. In welchen Fällen (je nach Rasse, Nationalität, 
Kulturstufe, Geschlecht, Alter, Lebensstellung, Charak¬ 
ter, Bildung, Umgebung und besonderer Sachlage) diesem 
oder jenem relativen Moralprinzip oder dieser oder jener 
Klasse von solchen eine hervorragende Bedeutung zu¬ 
kommt, darüber sind während der Erörterung schon 
mehrfach Andeutungen eingeflochten worden; diese 
letzteren zu sammeln, zu vervollständigen und für den 
praktischen Gebrauch zu systematisieren, ist eine Auf¬ 
gabe, die nicht mehr ins Bereich der Phänomenologie des 
sittlichen Bewußtseins fällt, sondern in das der Indi¬ 
vidualethik, welche dieser hervorragend praktischen Auf¬ 
gabe bisher deshalb weniger als jeder anderen gerecht zu 
werden vermochte, weil sie sich durchweg auf der Basis 
einseitiger Moralprinzipien anstatt auf der einer allseitig 
erschöpfenden Phänomenologie des sittlichen Bewußt¬ 
seins bewegte. 
Das Moralprinzip der Erlösung oder das negative 
absolut-eudämonistische Moralprinzip. 
Nachdem wir im vorigen Abschnitt das absolute Moral¬ 
prinzip schlechthin gewonnen haben, möchte es scheinen, 
als ob es widersinnig wäre, hinter dem letzten noch ein 
allerletztes zu suchen. Und in der Tat liegt für das sitt¬ 
liche Bewußtsein kein Grund vor, sich nach einem höheren 
oder allgemeineren Prinzip umzutun; wohl aber könnte 
das sittliche Bewußtsein bei näherer Beleuchtung des 
Letzterreichten zu der Einsicht gelangen, daß es bei dem 
absoluten Moralprinzip nur unter gewissen Bedingungen 
die gesuchte Beruhigung finden kann, und daß demnach 
gewisse Einschränkungen und nähere Bestimmungen des 
absoluten Moralprinzipes erfordert werden, durch die das¬ 
selbe eine enger bestimmte und abgeänderte Fassung 
erhält. 
Wenn ich die unbewußten Zwecke zu Zwecken meines 
Bewußtseins machen und meinen Eigenwillen dahingeben 
soll in den Dienst des absoluten Prozesses, so genügt dazu 
nicht, daß ich von der Identität meiner selbst mit dem 
absoluten Wesen überzeugt bin, sondern ich muß, wie 
schon öfter bemerkt, auch davon überzeugt sein, daß der 
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