Hingebung des Eigenwillens in den Dienst des absoluten
Prozesses als der absoluten Teleologie, die Annahme der
unbewußten Zwecke des Absoluten zu Zwecken des indi¬
viduellen Bewußtseins: und zwar nicht um meinetwillen,
weil ich mich etwa bei solchem Verhalten relativ am
besten befinde: auch nicht aus Laune: auch nicht um
der Vernunft willen, sondern um Gottes willen, oder,
genauer ausgedrückt: um des in dem absoluten Prozeß
sich dar lebenden All-Einen Wesens willen, das auch
Ich ist. Das absolute Moralprinzip kann sonach auch
bezeichnet werden als das Moralprinzip der auf ihr
absolutes Subjekt bezogenen sittlichen Weltordnung,
welcher ich nicht nur als vernünftiges Wesen zustimme,
sondern welche ich zugleich, sofern ich eine empirische
oder phänomenale Einschränkung des absoluten Sub¬
jektes bin, als die von meinem innersten Wesen ge¬
setzte weiß.
Die auf ihr absolutes Subjekt oder Gott bezogene sitt¬
liche Weltordnung berührt sich sehr nahe mit dem Be¬
griff, welchen die moderne Theologie in den jüdisch¬
christlichen Ausdruck des „Gottesreiches“ hineingelegt
hat, und er würde sich mit demselben in der Hauptsache
decken, wenn nicht die teleologische Organisation dieses
Gottesreiches in der Theologie noch immer in theistischem
Sinne als eine dem Individuum wesensfremde, heteronome
verstanden würde. Erst wenn das Gottesreich nicht als
ein Haufen von substantiell getrennten Kreaturen, son¬
dern als ein aus lauter wesensidentischen Gottmenschen
gebildeter Organismus: wenn die geistige Lebensord¬
nung dieses Organismus nicht als ein Schematismus ein¬
geprägter Gesetze, sondern als die teleologische Ent¬
faltung der das Was der Welt bestimmenden absoluten
Idee: wenn Gott als das absolute Subjekt der sittlichen
Weltordnung nicht bloß im Sinne eines transzendenten
Gesetzgebers, sondern im Sinne des immanenten Wesens
und des substantiellen Trägers seines sich entwickelnden
Reiches erfaßt wird: erst dann kann das Moralprinzip
des Gottesreiches als autonomes Moralprinzip und als
die entsprechende religiöse Fassung des philosophischen
absoluten Moralprinzipes anerkannt werden: erst dann
kann die Forderung der Teilnahme oder Mitarbeit am
Gottesreich als objektive sittliche Forderung neben die
subjektive der Aufgabe der eigenen Heiligung oder viel-
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