justitiam esse natos, neque opinione, sed na¬
tura constitutum esse ius. Er beruft sich darüber
auf die Gleichheit der Menschen; auf die Gemeinschaft
der Vernunft und ihres Gesetzes, Und gewiß, wenn sich
alle auf den Standpunkt der begierdenfreien Betrachtung
stellen, so mißbilligen sie gemeinschaftlich den Streit;
sie treffen Verabredung, um ihn zu schlichten und zu
vermeiden und je mehr diese Verabredung geeignet ist,
sicheren Frieden zu erhalten, desto vollkommener ist
das Recht, welches sie gemeinsam erschaffen. So geht
aus der menschlichen Natur ein positives Recht her¬
vor. Es ist positiv, weil sie es gemeinschaftlich gesetzt
haben; es ist Recht, und als solches heilig, weil es dem
Streite vorbeugt; es ist Naturrecht, weil es in der
Natur der Menschen lag, daß es mußte gestiftet und an¬
erkannt werden. Wie aber in neuerer Zeit das Natur¬
recht dazu gelangen konnte, sich als eine besondere
Disziplin einerseits vom positiven Recht, andererseits
auch von der philosophischen Sittenlehre abzusondem:
darüber bemerke man vorläufig nur folgendes.
1. Was in bezug auf die Feststellung des Rechts Will¬
kür heißt, das kann in Ansehung der Motive des Wollens
sehr notwendig sein. Dies zeigt sich, wenn man in den
Umfang der allgemeinen Forderung, den Streit zu ver¬
meiden, hinabsteigt; denn der Begriff des Streits ist sehr
verschiedener Determinationen fähig, welche von der
Lage der Personen und von den streitigen Gegenständen
herrühren können. Der Gegenstand kann unkörperlich
sein; so bei dem Recht auf Wahrheit und Ehre; ist er
körperlich, so wird er entweder teilbar oder unteilbar
sein. Personen können an Naturverhältnisse gebunden
sein; dahin gehört das Familienband (worauf schon
Aristoteles in bezug auf die Antigone des Sophokles auf¬
merksam macht). Läßt sich der Streit nur von einer
Seite vermeiden, so soll er von dieser vermieden werden;
ein Umstand, dem sich mancherlei Fälle mehr oder
weniger annähern. Den schon vorhandenen Rechts¬
verhältnissen gebührt Respekt, welcher auf die Stiftung
anderer hinzukommender entscheidenden Einfluß äußert
usw. Auch die andern praktischen Ideen greifen hier ein.
2. Sieht man auf den historischen Ursprung des Natur¬
rechts, so findet man die Bestätigung davon, daß es vom
Mißfallen am Streite ausgeht, Das höchst schätzbare
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