Full text: Ethik

vernünftigen Wesens mit sich selbst. In Be¬ 
ziehung auf ein vernünftiges Wesen, das von den Dingen 
außer sich abhängig ist, läßt dasselbe sich als zweifach 
betrachten: — als Übereinstimmung des Willens mit 
der Idee eines ewig geltenden Willens, oder — sittliche 
Güte — und als Übereinstimmung der Dinge außer 
uns mit unserm Willen (es versteht sich mit unserm 
vernünftigen Willen) oder Glückseligkeit. — Es ist 
also — im Vorbeigehen sei dies erinnert — so wenig wahr, 
daß der Mensch durch die Begierde nach Glückseligkeit 
zur sittlichen Güte bestimmt werde; daß vielmehr der 
Begriff der Glückseligkeit selbst und die Begierde nach 
ihr, erst aus der sittlichen Natur des Menschen ent¬ 
steht.—Nicht — das ist gut, was glückselig macht; 
sondern — nur das macht glückselig, was gut ist. 
Ohne Sittlichkeit ist keine Glückseligkeit möglich. An¬ 
genehme Gefühle zwar sind ohne sie, und selbst im 
Gegenstreite gegen sie möglich, und wir werden an seinem 
Orte sehen, warum? aber diese sind nicht Glückseligkeit, 
sondern oft widersprechen sie ihr sogar. 
Alles Vernunftlose sich zu unterwerfen, frei und nach 
seinem eignen Gesetze es zu beherrschen, ist letzter End¬ 
zweck des Menschen; welcher letzte Endzweck völlig un¬ 
erreichbar ist und ewig unerreichbar bleiben muß, wenn 
der Mensch nicht aufhören soll, Mensch zu sein, und 
wenn er nicht Gott werden soll. Es liegt im Begriffe des 
Menschen, daß sein letztes Ziel unerreichbar, sein Weg 
zu demselben unendlich sein muß. Mithin ist es nicht 
die Bestimmung des Menschen, dieses Ziel zu erreichen. 
Aber er kann und soll diesem Ziele immer näher kommen: 
und daher ist die Annäherung ins unendliche zu 
diesem Ziele seine wahre Bestimmung als Mensch, 
d. i. als vernünftiges, aber endliches, als sinnliches, aber 
freies Wesen. — Nennt man nun jene völlige Überein¬ 
stimmung mit sich selbst Vollkommenheit, in der höch¬ 
sten Bedeutung des Worts, wie man sie allerdings nennen 
kann: so ist Vollkommenheit das höchste unerreich¬ 
bare Ziel des Menschen; Vervollkommnung ins un¬ 
endliche aber ist seine Bestimmung. Er ist da, um 
selbst immer sittlich besser zu werden, und alles rund 
um sich herum sinnlich, und wenn er in der Gesell¬ 
schaft betrachtet wird, auch sittlich besser, und da¬ 
durch sich selbst immer glückseliger zu machen. 
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