Full text: Ethik

wissen Geschicklichkeit, die durch Übung erworben und 
erhöht wird. 
Ferner, was noch wichtiger ist, unser empirisch be¬ 
stimmbares Ich selbst nimmt durch den ungehinderten 
Einfluß der Finge auf dasselbe, dem wir uns unbefangen 
überlassen, so lange unsre Vernunft noch nicht erwacht 
ist, gewisse Biegungen an, die mit der Form unsers reinen 
Ich unmöglich übereinstimmen können, da sie von den 
Dingen außer uns herkommen. Um diese auszutilgen 
und uns die ursprüngliche reine Gestalt wiederzugeben 
— dazu reicht gleichfalls der bloße Wille nicht hin, son¬ 
dern wir bedürfen auch dazu jener Geschicklichkeit, die 
durch Übung erworben und erhöht wird. 
Eie Erwerbung dieser Geschicklichkeit, teils unsre 
eigenen vor dem Erwachen unsrer Vernunft und des 
Gefühls unsrer Selbsttätigkeit entstandenen fehlerhaften 
Neigungen zu unterdrücken und auszutilgen; teils die 
Dinge außer uns zu modifizieren und sie nach unsern 
Begriffen umzuändem, — die Erwerbung dieser Ge¬ 
schicklichkeit, sage ich, heißt Kultur; und der er¬ 
worbene bestimmte Grad dieser Geschicklichkeit wird 
gleichfalls so genannt. Die Kultur ist nur nach Graden 
verschieden; aber sie ist unendlich vieler Grade fähig. 
Sie ist das letzte und höchste Mittel für den Endzweck 
des Menschen, die völlige Übereinstimmung mit sich 
selbst, — wenn der Mensch als vernünftig sinnliches 
Wesen; — sie ist selbst letzter Zweck, wenn er als bloß 
sinnliches Wesen betrachtet wird. Die Sinnlichkeit soll 
kultiviert werden; das ist das höchste und letzte, was 
sich mit ihr vornehmen läßt. — 
Das endliche Resultat aus allem Gesagten ist folgendes: 
Die vollkommene Übereinstimmung des Menschen mit 
sich selbst, und — damit er mit sich selbst überein¬ 
stimmen könne — die Übereinstimmung aller Dinge 
außer ihm mit seinen notwendigen praktischen Begriffen 
von ihnen, — den Begriffen, welche bestimmen, wie sie 
sein sollen, — ist das letzte höchste Ziel des Menschen. 
Diese Übereinstimmung überhaupt ist, daß ich in die 
Terminologie der kritischen Philosophie eingreife, das¬ 
jenige, was Kant das höchste Gut nennt: welches 
nöchste Gut an sich, wie aus dem Obigen hervorgeht, 
gar nicht zwei Teile hat, sondern völlig einfach ist: es 
ist — die vollkommene Übereinstimmung eines 
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