Natu r im allgemeinsten Verstände (der Form nach), d. i.
das Dasein der Dinge heißt, sofern es nach allgemeinen
Gesetzen bestimmt ist,so könnte der allgemeine Imperativ
der Pflicht auch so lauten: handle so, als ob die
Maxime deiner Handlung durch deinen Willen
zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.
S. 47—54 Man muß wollen können, daß eine Maxime unserer
Handlung ein allgemeines Gesetz werde: dies ist der Ka¬
non der moralischen Beurteilung derselben überhaupt.
Einige Handlungen sind so beschaffen, daß ihre Maxime
ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Natur¬
gesetz gedacht werden kann; weit gefehlt, daß man noch
wollen könne, es sollte ein solches werden. Bei an¬
deren ist zwar jene innere Unmöglichkeit nicht anzutref¬
fen, aber es ist doch unmöglich zu wollen, daß ihre
Maxime zur Allgemeinheit eines Naturgesetzes erhoben
werde, weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen
würde. Man sieht leicht: daß die erstere der strengen
oder engeren (unnachlaßlichen) Pflicht, die zweite nur
der weiteren (verdienstlichen) Pflicht widerstreite, und
so alle Pflichten, was die Art der Verbindlichkeit (nicht
das Objekt ihrer Handlung) betrifft, durch diese Bei¬
spiele in ihrer Abhängigkeit von dem einigen Prinzip voll¬
ständig aufgestellt werden.
Wenn wir nun auf uns selbst bei jeder Übertretung
einer Pflicht Acht haben, so finden wir, daß wir wirk¬
lich nicht wollen, es solle unsere Maxime ein allgemeines
Gesetz werden, denn das ist uns unmöglich, sondern das
Gegenteil derselben soll vielmehr allgemein ein Gesetz
bleiben; nur nehmen wir uns die Freiheit, für uns (oder
auch nur für diesesmal) zum Vorteil unserer Neigung da¬
von eine Ausnahme zu machen. Folglich, wenn wir
alles aus einem und demselben Gesichtspunkte, nämlich
der Vernunft, erwögen, so würden wir einen Widerspruch
in unserem eigenen Willen antreffen, nämlich daß ein ge¬
wisses Prinzip objektiv als allgemeines Gesetz notwendig
sei und doch subjektiv nicht allgemein gelten, sondern
Ausnahmen verstatten sollte. Da wir aber einmal un¬
sere Handlung aus dem Gesichtspunkte eines ganz der
Vernunft gemäßen, dann aber auch ebendieselbe Hand¬
lung aus dem Gesichtspunkte eines durch Neigung affi-
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