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Zur Lehre vom Gemüt.
gestellt und dahin bestimmt, daß wir jenem Gegenständlichen
das vermeintlich allein die „besondere“ Bedingung des Zuständ-
lichen seines Bewußtseinsaugenblickes ausmachen soll, aller¬
dings den Löwenanteil an dieser Bedingung des Zuständlichen
zuerkennen müssen, weshalb wir es als das „maßgebende“
Gegenständliche bezeichnet haben. Und wir meinen, insonder¬
heit falle diesem besonderen Gegenständlichen zur Last,
welcher Art das Zuständliche, das mit ihm verknüpft auf-
tritt, sei, ob nämlich Lust oder Unlust, während das übrige
Gegenständliche dieses Bewußtseinsaugenblickes, mit dem das
betreffende Zuständliche selbstverständlich, als doch auch von
ihm bedingtes, ebenfalls verknüpft ist, mit jenem maßgebenden
zusammen den besonderen Grad des Zuständlichen bedingt.
Nun ist es in der Tat nicht schwer, festzustellen, daß in
unserem Seelenleben gar viele Augenblicke sich finden, in
denen wir kein „Gefühl“ haben d. h, in denen sich uns unter
dem Gegenständlichen kein „maßgebendes“ bietet, also keines,
dem wir es einfach zuschreiben, daß es die gegenwärtige Lust
oder Unlust „bewirkt“ habe, das wir also gleichsam allein ver¬
antwortlich dafür machen, daß wir diese Lust oder Unlust haben.
Es sind die einem Jeden wohlbekannten Augenblicke — die
ja oft, nach dem Zeitmesser bestimmt, selbst von recht langer
Dauer sind —, in denen wir fröhlich oder traurig sind d. h.
eine oft gar nicht geringgradige Lust oder Unlust haben, „ohne
zu wissen, warum wir fröhlich oder traurig sind“ d. i. ohne
aus dem mannigfaltigen Gegenständlichen ein besonderes als die
Lust- oder Unlustquelle bestimmen zu können, wie es doch in
anderen Fällen, die wir eben als die Fälle des „Gefühls“ be¬
zeichnen, von uns ohne Zögern und mit der Sicherheit voller
Überzeugung geschieht.
Ich meine nun nicht fehl zu gehen, wenn ich behaupte,
daß der Sprachgebrauch für solche Fälle, die dem betreffenden
Bewußtsein unter seinem mannigfaltigen Gegenständlichen des
Augenblickes ein „maßgebendes“ für das Zuständliche dieses
Augenblickes nicht zeigen, so daß man „nicht weiß, warum
man fröhlich oder traurig sei“, das Wort „Stimmung“ zur
Verfügung hat.
Ist von einer „Stimmung“ die Rede, so betrifft dies selbst¬