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Zur Lehre vom Gemüt.
hat, nicht weiter bestehen könnte, wenn auch die mit ihr
bisher zu einem bestimmten Zusammen verknüpften Bestimmt¬
heitsbesonderheiten des Bewußtseins anderen Platz gemacht
haben. Bas bloße Weiterbestehen der in Frage stehenden
Körperempiindung kann also nicht zur Bekräftigung jener Auf¬
fassung verwendet werden. Aber auch unsere Selbstbeobach¬
tung spricht deutlich gegen sie. Wir finden nämlich in keinem
einzigen Falle, daß das, was wir als besonderes „Gefühl“ mit
einem der oben aufgezählten Worte, wie Liebe, Haß, Stolz usf.,
bezeichnen, zu Anfang nur als ein Zusammen von Zuständlichem
und dem „maßgebendem“ Gegenständlichen da sei, dem die
Körperempfindung dann etwa als Folgeerscheinung sich
erst anschließe, sondern immer ist sie schon zugleich mit da.
Baß man aber auf den Gedanken, die in Rede stehende
Körperempfindung folge erst dem Übrigen im „Gefühl“, ver¬
fallen ist, findet wohl darin seine Erklärung, daß man bei der
Untersuchung zunächst nur auf das „maßgebende“ gegen¬
ständliche Stück des Gefühls allein den Blick einstellte,
dann aber das, was man als das Verhältnis jener Körper-
empflndung zu diesem Gegenständlichen als solchem fest¬
stellte, auch ohne Weiteres von demjenigen Zusammen aus-
sagen zu dürfen meinte, das angeblich aus dem „maßgebenden“
Gegenständlichen und dem Zuständlichen allein besteht. Wir
haben schon früher darauf hingewiesen, daß das „begleitende“
Gegenständliche im „Gefühl“ zweifellos in unmittelbarer Ab¬
hängigkeit von dem „maßgebenden“ Gegenständlichen oder aber
von dem physiologischen Vorgänge steht, der diesem Gegen¬
ständlichen die wirkende Bedingung ist und der seinerseits
denjenigen physiologischen Vorgang bedingt, der wiederum die
Bedingung der fraglichen Körperempfindung ist. So verstehen
wir, daß das Gegenständliche als solches, das nachher in dem
^.GefühFals das „maßgebende“ sich bietet,schon vor der „Körper¬
empfindung“, die in dem „Gefühl“ als das „begleitende“ Gegen¬
ständliche zugleich mit dem „maßgebenden“ da ist, auftritt,
mag auch der Zeitunterschied ihres Auftretens ein höchst ge¬
ringer sein. Aber diese Tatsache berechtigt doch nicht dazu, die
besondere Lust oder Unlust, die als das Zuständliche in dem
fraglichen „Gefühl“ sich findet, auch schon vor der Körper¬