Zur Lehre vom Gemüt.
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könnt Ihr’s uns auch sagen.“ Es ist von großer Wich¬
tigkeit, daß das „Gefühl“ auch nicht irgendwie in einem privi¬
legierten Nebel des „Unbeschreibbaren“ stecken bleibe.
Wie das angeführte Beispiel, so haben auch alle Zer¬
gliederungen, die wir mit anderen „Gefühlen“ vornehmen, das
Ergebnis, daß das Tatsächliche, worauf das Wort von der
angeblichen „Gefühlsfärbung“ sich stützen kann, unklare
Körperempfindungen sind, während von einer angeb¬
lichen „qualitativen“ Besonderung der Lust oder Unlust
selbst nichts zu finden ist. Ich kann dem daher nicht
völlig zustimmen, was Th. Ziegler schreibt: „Die ästhetische
Freude über ein schönes Gedicht ist inhaltlich verschieden
von der sinnlichen über ein Glas guten Weins oder von der
intellektuellen über eine gelöste Preisaufgabe, und zwar nicht
nur die Ursache, das a quo, dasjenige, an dem sich die
Freude hier und dort aufrankt, ist verschieden, sondern
auch ihr Inhalt (ihre Farbe), die Wirkung, der ganze Ver¬
lauf, die Art und Weise dieser Freude im Ganzen stellt sich
uns als von jeder anderen spezifisch verschieden dar.“1) Ich
kann diesem nicht zustimmen, sofern Ziegler, woran hier wohl
nicht zu zweifeln ist, mit „Freude“ bezeichnen will das Ge¬
fühl d. i. die zuständliche Bestimmtheitsbesonderheit allein,
unterschieden und in der Betrachtung völlig abgesondert
von allem Gegenständlichen des Bewußtseins, von „Vorstel¬
lungen aller Art“ oder „Erkenntniselementen“, wie Ziegler
schreibt. Rechnet er aber vielleicht doch zu der „Freude“
nicht nur das Gefühl (Lust oder Unlust), sondern auch die
mit diesem immer verknüpfte Körperempfindung, so müßten
wir ihm allerdings zugestehen, daß jene „ästhetische Freude
im ganzen“, da deren eines Stück dann eben eine besondere
Körperempfindung bedeuten würde, um dieser Körper¬
empfindung willen „von jeder anderen Freude spezifisch
verschieden sich darstelle“.
Nachdem wir festgestellt haben, daß jener Rest, der
in den sogenannten Gefühlen der Freude und der Trauer,
des Zahnschmerzes und der Reue usf. noch neben der zu-
>) a. a. 0. S. 110.