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Zur Lehre yom Gemüt.
Nachweis zu führen, daß das. was sie als solche Färbung des
Gefühls bezeichnen, tatsächlich eine Körperempfindung, ja
überhaupt „Empfindung“ sei. Ist es aber ein besonderes
Gegenständliches, so kann es sicherlich nicht zum Gefühl
d. h. zu der zuständlichen Bestimmtheitsbesonderheit eines
Bewußtseinsaugenblickes gehören, denn ist es „Empfindung“,
so muß es ein Gegenständliches des Bewußtseins sein.
Wir setzen den Fall, jemand habe Angt vor dem Zahn¬
ausziehen: zergliedern wir dieses „Gefühl“ der Angst, so ist
das „maßgebende“ Gegenständliche der Gedanke an die bevor¬
stehende Operation des Zahnausziehens, verbunden etwa mit
der Erinnerung an früher überstandene ähnliche Operationen;
das Gefühl d. i. die zuständliche Bestimmtheitsbesonderheit ist
der Art nach Unlust, dem Grade nach eine starke Unlust.
Doch hiermit ist nicht Alles gesagt, denn zur „Angst“ gehört
noch eine Körperempfindung, die man als „Beklemmung“ zu
bestimmen pflegt und die sich '„äußert“ in Kurzatmigkeit,
Zittern, Weinen u. a. m. Denken wir uns diese Körper¬
empfindung „Beklemmung“ fort, so verstehen wir auch nicht
mehr, wie dann noch von einem Angstgefühl sollte gesprochen
werden können. Fassen wir andererseits einmal das nach Art
und Grad bestimmte besondere Gefühl allein ins Auge, indem
wir von dem „maßgebenden“ Gegenständlichen, sowie von der
Körperempfindung (der Beklemmung) absehen, so läßt sich
schlechterdings nichts weiter noch an dem, was wir „Gefühl
der Angst“ nennen, entdecken. Jede Probe auch, in der wir
uns jenes maßgebende Gegenständliche mitsamt der genannten
Körperempfindung und der starken Unlust in der Einheit des
Bewußtseinsaugenblicks vorstellen, läßt uns zum Angstgefühl
inhaltlich gar nichts vermissen. Wenn die Verteidiger der
„Färbung“ darauf hin weisen, daß wir diese nicht durch Be¬
schreibung mitteilen können, sondern jeden auffordern müssen,
sie „nachznfühlen“, so mag darin die Wahrheit liegen, daß sich
„Gefühl“ selber nur „fühlen“ läßt, daß also nur der wissen
kann, was ein bestimmtes „Gefühl“ enthält, der es selber ge¬
habt hat; in diesem Sinne gilt das Wort zu Recht: „Wenn
Ihr’s nicht „fühlt“, Ihr werdet’s nicht erjagen“. Aber wir
dürfen mit Recht auch hinzufügen: „und wenn Ihr’s fühlt, so