Full text: Zur Lehre vom Gemüt

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Zur Lehre vom Gemüt. 
jenes vorstellende Seele sich selbst als „fühlende“ Seele ver¬ 
ändern d. i. sich eine neue Lust oder Unlust wirken. 
Diese Annahme läßt sich mit dem Satze des Wirkens,1) der 
für das Gegebene überhaupt sich schlechtweg bewahrheitet, 
nicht reimen: jedes Wirken erfordert zu seiner Möglichkeit 
wenigstens zwei Einzelwesen, von denen das eine die wirkende 
Bedingung bietet, also das Wirkende in sich schließt, das 
andere dagegen die Wirkung als eine ihm widerfahrende 
Veränderung in sich schließt. Ein einfaches Einzelwesen aber, 
das sich aus sich selbst veränderte, will also sagen, das 
nicht nur die grundlegende, sondern zugleich auch die wirkende 
Bedingung für ihre eigene Veränderung lieferte, gibt es über¬ 
haupt nicht. Niemand wird verstehen können, daß ein 
Einzelwesen sich „von selbst“ verändere. 
Die mit einer bestimmten Vorstellung zusammen auf¬ 
tretende Lust und Unlust hat als Wirkung, die sie doch selbst¬ 
verständlich sein muß, ihre wirkende Bedingung zweifelsohne 
im Gehirnzustand, wie ja auch jede auftretende Vorstellung 
ihre wirkende Bedingung im Gehirnzustand hat. 
Nun aber fragt sich, ob die gemeine Auffassung das Rich¬ 
tige trifft, wenn sie die auftretende Lust oder Unlust an die 
eine bestimmte Vorstellung allein „gebunden“ erachtet, sei es 
auch nur in dem soeben erläuterten Sinne, daß derselbe Ge¬ 
hirnzustand, der die besondere wirkende Bedingung für jene 
bestimmte „Vorstellung“ bildet, auch die besondere wirkende 
Bedingung für die mit ihr zusammen auftretende Lust oder 
Unlust wäre. Würde dies sich bewahrheiten, so ließe sich 
schon mit einigem Grund behaupten, diese Lust oder Unlust 
sei an jene Vorstellung „gebunden“, mit der sie doch not¬ 
wendig zusammen auftritt, sofern ja ein und dasselbe Ge¬ 
gebene (der bestimmte Gehirnzustand) für beides die wirkende 
Bedingung bedeuten soll. In diesem Sinne behauptet Leh¬ 
mann, das mit der besonderen „Vorstellung“ zusammen auf¬ 
tretende Gefühl habe „ein und denselben phycho-physischen 
Prozeß“ zur unmittelbaren besonderen Bedingung, wie diese be¬ 
sondere „Vorstellung“, woraus er dann das „Gebundensein“ 
b Siehe Rehmke, Philosophie als Grundwissenschaft, S. 245ff.
	        
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