Zur Lehre vom Gemüt.
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gegenständliche Bestimmtheitsbesonderheit aufzuweisen, also
die Seele, die Gefühle (Lust oder Unlust) hat, nimmt auch
wahr, hat auch Wahrnehmungen.
Sowohl Zuständliches („Gefühl“) als auch Gegenständ¬
liches (Wahrnehmung-Vorstellung) findet sich in jedem Augen¬
blicke als Bestimmtheitsbesonderheit der Seele, diese ist also
in jedem ihrer Augenblicke zuständliches und gegenständliches
Bewußtsein zugleich.1) „Wahrnehmung-Vorstellung“ bezeichnet
die Besonderheit der gegenständlichen Bestimmtheit, die wir
als die besondere Bestimmtheit der Seele das „Wahrnehmen-
Vorstellen“ nennen. Weil zuständliche und gegenständliche
Bestimmtheit des Bewußtseins offensichtlich nichts Gemeinsames
aufzuweisen haben, so ergibt sich auch schon aus dieser Tat¬
sache, daß die Seele in jedem ihrer Augenblicke gegenständ¬
liches und zuständliches Bewußtsein zugleich sein muß. Denn
da jede Veränderung nichts anderes ist als der Wechsel von
Besonderheiten einer Bestimmtheit des betreffenden Veränder¬
lichen d. i. Einzelwesens, so ist die Behauptung, die Seele sei
zunächst nur gegenständliches, etwa „empfindendes d. i. wahr¬
nehmendes“ Bewußtsein und erst später auch noch „zuständ¬
liches“ Bewußtsein, schlechthin abzuweisen; setzte sie doch
eine Veränderung der Seele, die den Gewinn einer völlig
neuen Bestimmtheit („Fühlen“) und nicht nur den einer neuen
Bestimmtheitsbesonderheit („Lust“ oder „Unlust“) bedeu¬
tete: aber im Gegebenen überhaupt findet sich derartige
Veränderung sonst niemals, und überdies kennt Niemand aus
seinem eigenen Leben irgendeinen Augenblick, in dem er nur
gegenständliches und nicht zugleich auch zuständliches Be¬
wußtsein gewesen wäre, einen Augenblick, in dem er ohne
alle zuständliche Bestimmtheitsbesonderheit, ohne alle Lust
oder Unlust sich befunden hätte.
J) Siehe Rehmke, Lehrbuch der allgem. Psychologie, 2. Aufl., S. 315.