Full text: Zur Lehre vom Gemüt

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Zur Lehre vom Gemüt. 
Affekt und „Gefühl“ werden demnach von Herbart nach 
dem Gegenständlichen in ihnen unterschieden, und zwar 
wird, wenn wir billigerweise auf die Sache selbst schauen 
und von dem „Gleichnisse“ des Gleichgewichtes absehen, 
der Unterschied dahin festgestellt, daß im Affekt das „Quan¬ 
tum der Vorstellungen“ ein abnormes, nämlich entweder 
zu groß oder zu klein sei. In ähnlicher Weise urteilen die 
Herbartianer Volkmann und Nahlowsky über den Affekt und 
beide weisen es ab, den Affekt ein „intensives oder potenziertes 
Gefühl“ zu nennen, Volkmann1) meint, „die Definition des 
Affekts als intensives Gefühl ist sowohl im genus proximum 
als in der spezifischen Differenz verfehlt; der Affekt ist näm¬ 
lich: plötzliche und gewaltsame Störung der Gemütsruhe, 
also ein Vorgang innerhalb der Vorstellungen, der 
freilich seine subjektive Seite hat: ihn durch das Gefühl be¬ 
zeichnen, dessen Grund er ist, geht auf eine Verwechselung 
des Symptoms mit der Krankheit hinaus: die Intensität des 
Gefühles aber zum spezifischen Merkmale erheben, ist darum 
unstatthaft, weil ein Gefühl hastig sein kann, ohne Affekt zu 
werden“. Auch für Volkmann besteht das eigentlich Kenn¬ 
zeichnende des Affekts darin, daß „die Vorstellungen aus ihren 
normalen Gleichgewichtsstellungen“ und dem entsprechend 
„das Bewußtsein aus der normalen Gleichgewichtslage gerückt 
ist“. Ebenso sagt Nahlowsky2): „Der Affekt ist zu definieren 
als die durch einen überraschenden Eindruck bewirkte, vor¬ 
übergehende Verrückung des inneren Gleichgewichts“, 
Ob aber das „Quantum“ der Vorstellungen in einem Be¬ 
wußtseinsaugenblicke „zu groß oder zu klein“ sei, woran sollen 
wir dies erkennen; was ist der Maßstab, das Normale, an dem 
wir den Vorstellungsbestand, ob er zu groß oder zu klein sei, 
messen könnten? Ich finde nirgends einen Anhalt in dem Be¬ 
wußtseinsaugenblicke selbst. Und wenn man auch auf die 
„Wirkung“ des Affekts hinweist, wie Nahlowsky es tut, daß 
nämlich „der Organismus in Mitleidenschaft gezogen und dem¬ 
gemäß die besonnene Übertragung und freie Selbstbestimmung 
b Volkmann, Lehrbuch der Psychologie § 138. 
*) Nahlowsky, „Das Gefühlsleben“ S. 247.
	        
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