heute nicht viel mehr als ein zeitlich geordneter
Kommentar zu Museumsbeständen. Man redet
von Fundschichten, die sich verdrängen, Ver¬
breitungsgebieten, die sich dehnen und zu¬
sammenziehen, von wandernden Ornamenten,
Verbalformen und Topfart en, als ob das Quallen
oder Raupen wären. Aber weder Konsonanten
noch Topfhenkel wandern, sondern Menschen,
die etwas wollen. . . . All diese Gelehrsamkeit
ist im Grunde Systematik. Geschichte aber ist
das Unsystematische an sich, das Einmalige,
das Persönliche, das Unvorhergesehene. Ge¬
schichte ist Schicksal. ♦
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Geschichte kennen heißt das Schicksal ahnen
Geschichte schreiben heißt eine Tragödie
dichten.
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Die große Geschichtsschreibung ... ist über¬
haupt keine „Wissenschaft“ - so wenig als
echte Philosophie Wissenschaft ist -, son¬
dern eine Kunst, schöpferische Dichtung, Ver¬
schmelzung der Seele des Schauenden mit
der Seele der Welt. Sie ist mit der großen
Epik und Tragödie und der großen Philo-
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