Full text: Gedanken

heute nicht viel mehr als ein zeitlich geordneter 
Kommentar zu Museumsbeständen. Man redet 
von Fundschichten, die sich verdrängen, Ver¬ 
breitungsgebieten, die sich dehnen und zu¬ 
sammenziehen, von wandernden Ornamenten, 
Verbalformen und Topfart en, als ob das Quallen 
oder Raupen wären. Aber weder Konsonanten 
noch Topfhenkel wandern, sondern Menschen, 
die etwas wollen. . . . All diese Gelehrsamkeit 
ist im Grunde Systematik. Geschichte aber ist 
das Unsystematische an sich, das Einmalige, 
das Persönliche, das Unvorhergesehene. Ge¬ 
schichte ist Schicksal. ♦ 
i)9 
Geschichte kennen heißt das Schicksal ahnen 
Geschichte schreiben heißt eine Tragödie 
dichten. 
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Die große Geschichtsschreibung ... ist über¬ 
haupt keine „Wissenschaft“ - so wenig als 
echte Philosophie Wissenschaft ist -, son¬ 
dern eine Kunst, schöpferische Dichtung, Ver¬ 
schmelzung der Seele des Schauenden mit 
der Seele der Welt. Sie ist mit der großen 
Epik und Tragödie und der großen Philo- 
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