ist gewiss, dass Chlodwig über einen - wie auch immer gearteten - Verwaltungs¬
apparat verfügte. Spuren von diesem gilt hier das Interesse, es sind vor allem sol¬
che planmäßiger Erfassung, sei es personeller, materieller oder allgemein umfas¬
sender Art. Die Suche nach entsprechenden Zeugnissen wird allerdings dadurch er¬
schwert, dass offen bleiben muss, welche Vorstellungen Remigius mit dem Begriff
administratio verknüpfte. So bleibt auch im Hinblick auf Chlodwig eine gewisse
Offenheit bestimmendes Element unserer Spurensuche.
Die „Fränkischen Geschichten“ des Bischofs Gregor von Tours sind für die
fränkische Frühzeit und für unsere spezielle Fragestellung am ergiebigsten. Sehr
schwer zu beurteilen sind aber zunächst die Vorgänge in Limoges 579. Dort wie
auch angeblich in seinem ganzen Teilreich hatte König Chilperich sehr harte Ab¬
gaben verlangt, denen sich das Volk von Limoges (Lemovicinus populus) strikt
widersetzte und die Erhebungslisten (libri discriptionum) verbrannte. Der darüber
empörte König sah sich zu härtesten Strafen veranlasst22. In Gregors Bericht bleibt
offen, ob ursprünglich eine reichsweite und korrekte Abgaben- und Steuererhe¬
bung tatsächlich geplant war und ob dafür auch gegebenenfalls Erfassungsma߬
nahmen vorgesehen wurden. Des Königs Verhalten spricht aber für einen extremen
Willkür- und Racheakt.
Die beiden berühmtesten Beispiele betreffen dann Steuererhebungen, denen
aber Erfassungsmaßnahmen voran gehen. Nach Absprache mit dem Bischof der
Stadt schickte König Childebert II. im Jahre 589 qualifizierte hohe Amtsträger
nach Poitiers"3. Diese discriptores sollten den census, der zur Zeit seines Vaters ge¬
golten hatte, neu veranlagen unter Berücksichtigung der seither Verstorbenen, der
Witwen und Waisen, deren Abgabenpflicht gemindert wurde. Dabei wurden auch
bisher von Abgaben verschonte Bürger als pflichtig eingestuft (illos quos iustitiae
conditio tributarios dabat publico subdidirunt). In Tours versuchten die discripto¬
res dasselbe Verfahren (tributariam functionem infligere vellent) und pochten zu¬
sätzlich auf ein librum, das sie in Händen hätten, wonach man zur Zeit der früheren
Könige gezahlt hätte. Doch Gregor, der Bischof der Stadt Tours, trat nach eigenem
Bekunden den königlichen Funktionsträgern entgegen. Er bestritt nicht, dass die
Stadt Tours einst zur Abgabenpflicht veranlagt wurde, doch aus Ehrfurcht vor dem
Hl. Martin habe König Chlothar die libri verbrannt, seine Maßnahmen mithin wi¬
derrufen24. Auch als der comes (civitatis) eilfertig Abgaben, und das heißt Geldab¬
gaben, auf eigene Faust für den König erheben wollte, habe der König das capitu¬
larium, in quo tributa continebantur, ins Feuer geworfen und damit auf jegliche
Schatzung im Fall von Tours verzichtet. Doch die königlichen Erfassungsbe¬
auftragten antworteten dem Bischof lakonisch: „Siehe, in unseren Händen ist der
Uber, in dem der census für dieses Volk [von Tours] fixiert ist“. Gregor von Tours
ließ diese Argumentation nicht gelten: „Dieser liber kommt nicht aus dem königli¬
chen Schatz und hat so viele Jahre niemals Geltung gehabt“. Nach längeren Aus¬
einandersetzungen behauptete sich schließlich des Bischofs Ansicht.
dotium und Regnum. Festschrift für Egon Boshof, hg. von Franz-Reiner Erkens und
Hartmut Wolff, Köln-Weimar-Wien 2002, S. 16f.
Gregor von Tours, Libri historiarum X, ed. Bruno KRUSCH und Wilhelm Levison (MGH
SS rer. Merov. 1), Hannover21951, Buch V, c. 28, S. 234.
23 Gregor von Tours, Buch IX, c. 30, S. 280.
Ebd., auch im Folgenden.
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