eine vorausgehende Landschenkung zur Stellung einer adäquaten Sicherheit bereit¬
gefunden zu haben. Dabei handelt es sich um eine verdeckte Enteignung des Klos¬
ters, denn des Öfteren wurden weder die Jahresabgaben gezahlt noch nach Be¬
endigung der Vertragslaufzeit das Gut zurückerstattet.
Solche Praktiken traten in Zeiten einer schwachen Königsherrschaft und einer
vermehrten Korruption der Inhaber öffentlicher Gewalt gehäuft auf. Das war ein¬
mal im 8. Jahrhundert der Fall. Damals kamen die Karolinger selbst mit Hilfe sol¬
cher Praktiken an die Macht. Und das andere Mal traten solche Missbräuche um
900 auf, als der staatliche Schutz, den die Karolinger zu gewähren vermochten,
schwächer wurde und ein Machtkampf um die wirtschaftlichen Ressourcen unter
den führenden Adelsfamilien ausbrach. Einige Kirchen und Klöster büßten durch
derartige Zwangsanleihen etwa zwei Drittel ihres Besitzes ein.
Abgesehen von diesen Missbräuchen, galten die Prekarien als grundsätzlich at¬
traktives Grundstücksgeschäft. Als der Bischof Aventius von Metz 863 das Kloster
Gorze „evaluierte“, bestätigte er der Klosterleitung und dem Konvent, die getätig¬
ten Prekarien seien nutzbringend gewesen. Eine Synode von 845 schuf sogar einen
weiteren Anreiz zur Landschenkung. Wenn die Übertragung sofort, also ohne auf¬
schiebende Wirkung etwa auf den Todesfall erfolgte, winkte dem Schenker die
Verdreifachung seines Einsatzes, indem er nicht nur sein eigenes Gut, sondern zu¬
sätzlich zwei gleichwertige Kirchengüter als Leihe zurückerhielt. Bei seinem Tod
ging allerdings alles in Kirchenhand über.
Ökonomisches Denken wird dem frühen Mittelalter häufig abgesprochen, doch
wird hier das Gegenteil erwiesen, jedenfalls in Bezug auf das immobile Vermögen.
Welchen Vorteil sah aber der frühmittelalterliche Grundbesitzer darin, sein
Land zu verschenken, um es als Prekarie zum Nießbrauch wieder zurückzuer¬
halten? Diese Logik will dem modernen Menschen nicht ganz einleuchten. Der
mittelalterliche Mensch ist jedoch noch keinem säkularisierten Denken unter¬
worfen. Er schenkte ohnehin relativ viel an geistliche Institutionen, um damit deren
Gebetsleistung für sein Seelenheil zu erwerben, und zwar so viel, dass Kaiser Karl
der Große die Größenordnung der Transaktionen limitierte: Die Verarmung der
leiblichen Erben wegen der Enterbung durch unverhältnismäßig großzügige Land¬
schenkungen der Erblasser an Kirchen und Klöster sollte unterbunden werden. So
viele seien verarmt, dass sie augenfällig die Straßen bevölkerten.
Aus diesem Dilemma bot die Prekarie einen praktischen Ausweg. Es handelt
sich bei ihr um eine Schenkung, die fast immer mit der Auflage verbunden wurde,
die wichtige Gebetsleistung für das Seelenheil des Schenkers und oft auch für das
seiner gesamten Familie zu erbringen. Doch änderte sich für den Schenker und sei¬
ne Familie fast nichts im tagtäglichen Umgang mit ihrem Besitz, außer dass nun
ein geringer Jahreszins zu bezahlen war. Die Sorge, die Jahresabgaben nicht frist¬
gemäß abliefern zu können, denn wegen der klimatischen Einwirkungen waren
Missernten nicht selten, spiegelt sich in nur wenigen Prekarieurkunden wieder.
Rückständige Jahresabgaben waren in der Regel kein Grund, das Leihegut vor¬
zeitig einzuziehen, zumal die Prekatoren durch das Zinsrecht einen gewissen
Schutz erfuhren. Sie durften den Zins bis zu einem Jahr nachzahlen, eine Bürg¬
schaft dafür stellen oder eine andere Form des Schadensersatzes anbieten. Ihre
Vertreibung von Grund und Boden konnte vertraglich ausgeschlossen werden. Ge¬
legentlich verzichtete der Leihgeber sogar auf jegliche Zinsvereinbarung.
92