Full text: Historische Blicke auf das Land an der Saar

königlichen Familie, namhafte Adelige beiderlei Geschlechts, Grafen, hohe Geist¬ 
liche und weniger bekannte Grundbesitzer, die auf diese Weise „urkunden-kundig“ 
werden. Die Transaktionen beinhalteten demzufolge keineswegs nur die kleine 
bäuerliche Hofstatt samt Acker- und Weideland hier oder den Weinberg dort oder 
das Waldstück noch woanders, sondern umfassten durchaus große grundherrliche 
Komplexe, ja selbst ganze Klöster inklusive ihrer Grundherrschaft. Sie alle konn¬ 
ten als prekarisches Leihegut auf Zeit vergeben werden. 
Worin bestand der Nutzen des Geschäfts? Für die kirchlichen Institutionen liegt 
er auf der Hand. Durch das Gesetz, Kirchengut nur dann leihweise auszugeben, 
wenn vorher Land geschenkt worden war - bezeugt im alemannischen Recht aus 
der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts - akquirierten Kirchen und Klöster durch die 
Prekarie mittel- bis langfristig immer mehr Immobilien. Die Leihefrist war indivi¬ 
duell auszuhandeln. Ursprünglich sollte die Prekarie alle fünf Jahre erneuert wer¬ 
den, üblich waren jedoch im Frühmittelalter Vertragslaufzeiten von etlichen Jahr¬ 
zehnten, nämlich auf Lebenszeit des Prekators, seiner Frau, seiner Kinder, manch¬ 
mal mit der Einschränkung auf legitime Kinder, manchmal aber im Gegenteil er¬ 
weitert auf Seitenlinien bis zum Aussterben der Familie. Nach dem Auslaufen der 
vereinbarten Leihefrist sollten die Immobilien ohne Widerspruch sofort an die 
kirchliche Institution zurückfallen. Bei attraktiven Landgütern mussten jedoch des 
Öfteren Prozesse um den Rückfall geführt werden, wodurch allerdings nicht ver¬ 
hindert wurde, dass die Kirche zum größten Grundeigentümer im Mittelalter wurde. 
Noch ein paar Details: Der Leihgeber empfing vom Prekator jährliche Zins¬ 
abgaben. Wurde die Vertragslaufzeit verlängert, erhob das Kloster eine Art Ge¬ 
bühr, die der Jahresabgabe einer abhängigen Bauemstelle entsprach. Dabei handelt 
es sich - modern ausgedrückt - um die Rendite, die allerdings wegen des kirchen¬ 
rechtlichen Verbots von Zinsgeschäften verschleiert werden musste. Da die Ver¬ 
tragslaufzeiten nicht in Jahren angegeben werden, ist die Höhe der Rendite nicht zu 
ermitteln. Je kürzer die Lebenszeit des Prekators, desto höher die Rendite für das 
Kloster. 
Am Ende der Vertragslaufzeit schöpfte das Kloster außerdem den erzielten 
Mehrwert, wie oben bereits erwähnt, dadurch ab, dass es die Meliorationen für sich 
beanspruchte; das waren die Investitionen des Prekators in die Mobilien auf dem 
Grund und Boden, also Aufbauten wie Wohnhäuser, Scheunen und andere Be¬ 
triebsgebäude. Diese bestanden aus Holz, mussten also durchschnittlich alle sieben 
Jahre erneuert werden. Die unfreie menschliche Arbeitskraft galt gleichfalls als 
Mobilie und konnte melioriert sein, das heißt in ihrer Arbeitsleistung und Einsatz¬ 
fähigkeit eine Wertsteigerung erfahren haben. 
Die Prekarie gut zu bewirtschaften und stetig zu bessern, eben zu meliorieren, 
ist eine Standardklausel vieler Verträge zu Lasten des Prekators, insbesondere 
dann, wenn längerfristige Verträge abgeschlossen wurden. Die Klausel diente al¬ 
lerdings nördlich der Alpen - etwa im Gegensatz zu Italien - nicht dazu, techni¬ 
sche Innovationen auf dem Land zu befördern oder den Landesausbau durch Kulti¬ 
vierung von bisher unbewirtschafteten Flächen voranzutreiben. 
Das Risiko eines solchen Rechtsgeschäfts bestand in seinem Missbrauch. Den 
Rückfall der Leihegüter gegen den Willen einflussreicher Adelsfamilien durch¬ 
zusetzen, war kaum möglich. Hinzu kam, dass skrupellose Machthaber Kirchen 
und Klöster zur Herausgabe von prekarischem Leihegut zwangen, ohne sich durch 
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