den Nachweis von Wüstungen aus der Toponymie (was auch für die Archäologie
interessant sein könnte), über nördliche, fränkische Elemente, ,Nordwörter4 in der
Mikrotoponymie, die auf die Merowingerzeit zurückweisen, über Interferenz-
Onomastik (unterstützt von internationalen wissenschaftlichen Kolloquien). Zuletzt
entstand daraus ein Projekt, in Zusammenarbeit mit einer unter dem Firmenzei¬
chen4 Nomen et gens zusammengeschlossenen Arbeitsgruppe von Historikern und
Philologen (Geuenich/Haubrichs/Jarnut 1997, 2002; Hägermann/Haubrichs/Jarnut
2004; Geuenich/Runge 2006), eingegliedert in ein Schwerpunkt-Programm der
Deutschen Forschungsgemeinschaft über das Thema Integration und Desintegra¬
tion4, über die Germanisierung der Personennamengebung, unter weitgehender
Ablösung des römischen Namensystems, im frühmittelalterlichen Europa. Warum
heißen die Eliten ab dem 677. Jahrhundert nicht mehr Remigius, Eucharius, Sido¬
nius, sondern Theoderich, Gundulf und Adalbert (vgl. Haubrichs 2008a)?
Eines der Ziele der interdisziplinären Zusammenarbeit im Kolloquium war ne¬
ben der völlig neuen Beschreibung und Analyse der Siedlungsnamen nach Typen
(statt der Sammlung und Erklärung in alphabetisch geordneten regionalen Ortsna-
menbüchem) auch der Versuch einer Datierung dieser Typen mit außersprachli¬
chen Mitteln, wo die innersprachlichen versagten. Bekannt war zum Beispiel die
Korrelation der onomastischen Typen mit siedlungsgeographischen Gegebenhei¬
ten. So liegen etwa die frühen -heim und -/'«ge^-Namen - nehmen wir den Worms¬
gau, Speyergau oder auch den hiesigen Bliesgau - durchweg in fruchtbaren Land¬
schaften, auch in den Talauen, während die weder-Namen in den eher unfruchtba¬
ren oder bergigen Landschaften, auch eher an den Bachoberläufen, also insgesamt
in Ausbaulandschaften, etwa im Hunsrückvorland, am Donnersberg, am Vogesen¬
rand und so weiter liegen. Oft gilt das auch für vorgermanische-romanische Relikt¬
namen. Bilderbuchhaft kann man das an der Merchinger Muschelkalkplatte bei
Merzig (Karte 4 mit Nr. 33) sehen. Auf dem fruchtbaren Muschelkalkboden finden
sich die Namen auf -heim, -ingen, -dorf, also die fränkischen Siedlungsnamen. Die
vorgermanischen Ortsnamen, Reliktnamen, die Kontinuität anzeigen, findet man
auf den weniger fruchtbaren Buntsandsteinböden. Man wird das sicherlich als das
Resultat eines Aktes fränkischer Dominanz bewerten müssen.
Präzisere Datierung erbrachte die Korrelation mit den Ergebnissen der Vor- und
Frühgeschichte. Und hier kommt die Archäologin Frauke Stein, der diese Rede
gewidmet ist, ins Spiel. Die weitaus größte Last in den Kolloquien dieser 30 Jahre
hat nämlich sie getragen mit exakten und umfassenden Analysen der archäologi¬
schen Fundsituation. Sie hat sich nämlich nie damit begnügt, nur die bestehende
archäologische Forschung zu referieren, was freilich meistens wenig genug für
diese Landschaften gewesen wäre. Sie hat die Fundsituation stets von Grund auf
neu katalogisiert und kartiert, vergleichend kartiert. So entstand im Laufe der Zeit
für Lothringen, die Mosel- und Rheinlande, aber auch, soweit es die Literatursitua¬
tion zuließ, für die altburgundischen Lande ein unschätzbarer Fundus archäologi¬
scher Daten der Spätantike und der Merowingerzeit, die Grundlage für die interdis¬
ziplinäre Arbeit des Kolloquiums.
Frauke Stein hat, das sei betont, aus diesem Fundus auch wichtige, ja völlig ini¬
tiale Arbeiten zur archäologischen, merowingischen Situation in Lothringen, zum
Verhältnis von Romanen und Franken in diesem Interferenz-Raum geschöpft, die
inzwischen in einem Sammelband zusammengefasst vorliegen (Stein 2011).
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