Germania wissenschaftlich erschlossen (vgl. Karte 1) ausgehend vom lotharin¬
gisch-saarländischen Kern Oberer und Unterer Saargau, Bliesgau, Niedgau, Pays
Messin und dann nach Süden und Westen ausschweifend, Seillegau, Chaumontois,
Charpeignegau um das antike Scarponna, Toulois, Saintois und Souiossois, Bar-
rois, Omois und wieder nach Norden sich wendend, an der Maas entlang, Verdu-
nois, die Woevre und die Terra Gallica des Bistums Trier mit Arlon, Alzettegau
und der silva Arduenna um Luxemburg, und dann die Mosel abwärts Bitgau,
Mayenfeld und Moselgau, am Rhein entlang Nahegau mit Mainz und Wormsgau,
Speyergau, der Lobdengau um Ladenburg (bei Heidelberg), der Nord- und der
Sundgau des Eisass mit Basel und Kaiseraugst, zwischendurch einmal zum inner¬
romanischen Vergleich das Auxerrois und das Poitou, schließlich in letztem
Zugriff die östlichen Teile des alten Burgundenreichs Franche-Comte, Suisse Ro-
mande, Lyonnais, Pays des Dombes, Maconnais und Chalonnais.
Wahrlich ein Langstreckenlauf! Aber die dabei waren, sind nicht müde gewor¬
den. Sie sind entschädigt worden durch neue, so nur im „Terrain“, im kleinräumi¬
gen Zugriff auf eine historische Siedlungslandschaft zu erreichende Einsichten in
Fragen der Kontinuität von der Spätantike, vom Imperium Romanum hin zum Frü¬
hen Mittelalter und seinen von den neuen gentes, in unserem Raum vor allem
Franken, Alamannen und Burgunden mitgenerierten Transformationen und neuen
Formationen. Es ergab sich unter anderem die Einsicht, dass Franzosen und Saar¬
länder nicht nur, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 18. Dezember 2011
angesichts einer Asterix-Ausstellung in Völklingen schreibt, Kelten waren, sondern
auch ein bisschen Romanen und Germanen.
Das alljährliche interdisziplinäre Kolloquium, das seinerseits wiederum in
einem Verbund mit dem langjährigen Forschungsschwerpunkt der Philosophischen
Fakultät dieser Universität mit dem programmatischen Titel „Grenzen und Interfe¬
renzräume“ stand, gab sich bald einen Aufbau, der im Laufe der Zeiten nur wenig
Wandlung erfuhr.
Man begann mit einem geographischen Überblick zum behandelten Raum, an¬
fangs getragen vom allzu früh verstorbenen Saarbrücker Kulturgeographen Martin
Born, später von dessen Schüler Rolf Spang, dann von Karl-Heinz Fiedler, schlie߬
lich vom Kollegen Jochen Kubiniok, einem Überblick, der vor allem die Sied¬
lungsgunst und die agrarische Qualität der Böden in den Blick nahm. Es folgten
Übersichten über die frühe Global- und Regionalgeschichte, vor allem auch der
kirchlichen Organisation des Raumes, von Anfang an getragen von einem der gro¬
ßen Kenner des lotharingisch-moselländisch-saarländischen Raumes, Hans-Walter
Herrmann; später kam dankenswerterweise die Saarbrücker Historikerin Brigitte
Kasten hinzu. Fokus der Betrachtungen war die Zeit des Übergangs von der Spät¬
antike ins Frühe Mittelalter, ohne dass der Fortfluss der Geschichte in die Zeit der
Karolinger und Ottonen künstlich abgeschnitten worden wäre.
Grundlage der dann folgenden philologischen Analysen war ein vorweg aus den
Quellen und toponymischen Wörterbüchern erstelltes Siedlungsnamenverzeichnis
der Landschaft, das typologisch nach vorgermanischen und romanischen Namen
und germanischen (hier fränkischen) Namen, etwa den bekannten Namen auf
-heim, -Ingen, -weiler, -hausen, -hofen gegliedert war. So entstand im Laufe der 30
Jahre ein riesiger Thesaurus der Siedlungsnamen im sprachlichem Kontaktraum
zwischen Gallia und Germania, von den Mittelgebirgen der Eifel und der Ardennen
bis zu Jura, Genfer See und der Rhöne-Saöne-Landschaft. Die etymologische und
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