das Saarland betreffende Urkunden, die in anderen Archiven lagerten, sollten nach
Lauers Vorstellung fotokopiert werden und Orts- und Pfarrchroniken abgeschrie¬
ben und im Archiv deponiert werden. Die Kernaufgabe eines Landesarchivs war
noch nicht einmal in Grundzügen erkennbar, nämlich die Unterlagen der bestehen¬
den Landesverwaltung nach bestimmten Zeiträumen zu überprüfen und die histo¬
risch aussagekräftigen ins Archiv zu übernehmen. Dies hätte auch eine enge Verbin¬
dung zwischen Landesarchivar und Landesregierung vorausgesetzt. Lauer galt aber
als autonomiekritisch, und seine Berufung zeigt umgekehrt auch das nicht vorhan¬
dene Interesse der Hoffmann-Regierung, ein Archiv aufzubauen. Auch nach dem
Ende der Hoffmann-Regierung änderte sich an dieser Konstellation nichts.
Es war der gelernte Archivar und Professor für mittelalterliche Geschichte Eu¬
gen Meyer, in Püttlingen/Saar aufgewachsen, aber viele Jahrzehnte unter anderem
in Münster und Berlin tätig, der die Misstände erkannte und versuchte entgegen¬
zuwirken: Wir werden doch wohl unter allen Umständen daran festhalten müssen,
dass das Staatsarchiv wesentlich eine behördliche Dienststelle des Staates sein
muss, die zunächst einmal ausschließlich staatliches Material übernimmt und si¬
cherstellt und deren Aufgabe es ist, dem Staate dieses Material für die Zwecke sei¬
ner Politik, seiner Rechtsprechung und seiner Verwaltung zu sichern und bereitzu¬
stellen und diesem Material seinen authentischen Charakter zu bewahren44 Mey¬
ers Vorstellungen entsprachen Verhältnissen, die seit Jahrzehnten in Europa selbst¬
verständlich waren - nur nicht im Saarland. Auch nach dem Ende der halbautono¬
men Saar änderte sich auch im neuen Bundesland Saarland nichts an den Verhält¬
nissen. Das Landesarchiv, bisher bei der Staatskanzlei angesiedelt, wechselte am 5.
November 1955 in die Zuständigkeit des Ministers für Kultus, Unterricht und
Volksbildung. Möglicherweise veranlassten Überlegungen, archivreifes Schriftgut
von saarländischen Behörden dem Landesarchiv in Koblenz zu übergeben, Eugen
Meyer zu einer mehrseitigen Ausarbeitung, die er am 20. Oktober 1956 vorlegte,
mit dem Titel: „Über die Begründung eines saarländischen Landesarchivs“. Darin
stellt er fest: Es dürße klar sein, dass man auch bei uns, wenn man Wert darauf
legt, den Staatsapparat dauernd in Ordnung zu halten, an die Einrichtung eines
staatlichen Archivs, das bis jetzt noch nicht besteht, herangehen muss, und dass
man nicht etwa daran denken kann, die bei unseren Behörden anfallenden Staats¬
akten, so wie das in der preußischen Zeit der Fall war, auch in Zukunft nach Kob¬
lenz und Speyer abzugeben44 45.
Es sollte vier Jahre dauern, bis die Visionen von Eugen Meyer Wirklichkeit
wurden und damit etwas in anderen Ländern völlig Selbstverständliches auch im
Saarland eingerichtet wurde: Das bei der Staatskanzlei errichtete Landesarchiv
übernimmt archivreifes Aktengut, ordnet es und stellt es für die Zwecke der Lan¬
desverwaltung, der Rechtspflege und der wissenschaftlichen Forschung bereit46 -
mit diesem Erlass beginnt 1961 die Geschichte des heutigen Landesarchivs, dessen
Leitung Hans-Walter Herrmann, der Vater des Autors, noch im selben Jahr über¬
nahm.
44 Landesarchiv Saarbrücken, Nachlass Eugen Meyer, Nr. 4, Meyer an Lauer vom 2.8.1954.
Zur Biografie: Hans-Walter Herrmann, Eugen Meyer 1893-1972 - eine biographische
Skizze, in: Saarheimat 17/1973, S. 74-79.
45 Ebd.
46 Amtsblatt des Saarlandes 1961, Nr. 1, S. 1.
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