sungsgericht fest: Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des
Volkes, Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch ge¬
schieht, ist nicht möglich1'. Akten erlauben es, Entscheidungen nachzuvollziehen,
zu zeigen, wer in welcher Weise wie eine Sache beeinflusst hat und damit sind sie
unverzichtbar, um Verwaltungshandeln transparent zu machen.
Die Archive können diesen Beitrag für die Demokratie aber nur leisten, wenn
die entsprechende Verwaltung ihre Akten vollständig führt so wie es das nicht
strafbewehrte Verwaltungsverfahrensgesetz vorschreibt, und wenn innerhalb der
Verwaltung die Archivgesetze beachtet werden. Nur so kann verhindert werden,
dass ohne vorherige Abstimmung mit dem Archiv Akten wild vernichtet werden.
Das kritische Bewusstsein über den Wert einer ordnungsgemäßen Aktenführung
und den ordnungsgemäßen Umgang mit Akten ist sicher noch entwicklungsfähig.
Die Schärfung dieses Bewusstseins ist nicht etwas Beliebiges oder eine Extrawurst
von Archivaren, sondern es ist von Bedeutung für die Gesamtgesellschaft wie fol¬
gendes Beispiel zeigt. Der Bundesnachrichtendienst (künftig: BND) vernichtete
vor ein paar Jahren ohne Abstimmung mit dem Bundesarchiv Personalakten, da¬
runter 250 Personen, die wichtige BND-Positionen bekleidet hatten und während
der NS-Zeit wichtige Funktionen in SS, SD und Gestapo ausübten. Ein Skandal, da
diese Vernichtungsaktion nicht etwa 1957 erfolgte, sondern 2007 und damit zu ei¬
nem Zeitpunkt, als man über die Brisanz des Themas sehr wohl wusste11 12. In einer
Demokratie haben die jeweils zuständigen Archive die Aufgabe, zu entscheiden,
welche Unterlagen nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen zu vernichten sind und
welche als archivwürdig bewertet und ins zuständige Archiv übernommen werden.
Der BND ist dem Bundesarchiv gegenüber anbietungspflichtig. Verstöße gegen
dieses Gesetz sind wie bereits erwähnt nicht strafbewehrt. Archive unterstehen der
ministeriellen Aufsicht, und damit stehen sie auch in einem Abhängigkeits¬
verhältnis zur Exekutive. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich, dass das Bild der
mächtigen Archive unzutreffend ist. Neben dem BND-Skandal ist auf Bundesebe¬
ne auf die so genannten „Bundeslöschtage“ 1998 hinzuweisen, das Verschwinden
von elektronisch gespeicherten Daten und Unterlagen im Bundeskanzleramt nach
der Abwahl der Regierung von Helmut Kohl. Auch dieses Ereignis blieb folgen¬
los13.
In einer parlamentarischen Demokratie sind Archive systemrelevant, auch der
Deutsche Archivtag in Bremen 2011 machte dies nachhaltig deutlich. Archive er¬
möglichen die nachträgliche Kontrolle von Verwaltungshandeln. Es stellt sich da¬
bei die Frage, ob sie in ihrer bisherigen Organisationsstruktur diese Rolle wirklich
erfüllen können14. In den USA handeln Archive als unabhängige Agencies15, in
gewisser Weise mit unseren Datenschutzbeauftragten und Rechnungshöfen ver¬
gleichbar, ihre Stellung ist entsprechend unabhängiger.
Gut aufgestellte Archive sind zweifellos eine Visitenkarte für gelebtes Demo¬
kratiebewusstsein. Allerdings nur dann, wenn die Verwaltung ihre Akten konform
zum Verwaltungsverfahrensgesetz führt und Archiven die erforderlichen Ressour¬
11 Hartmut Weber, Kohl und der Aktenschwund, in: Die Zeit, Nr. 46/2001, 8.11.2001.
12 http://www.schmalenstroer.net [6.12.2011].
13 Ebd.
14 http://www.schmalenstroer.net [6.12.2011 ].
15 http://www.archives.gov/oig [7.12.2011].
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