und ihre Kohle für Frankreichs Wiederaufbau liefern mußte. Dieses hoffte, die Be¬
völkerung während dieser Frist frankreichfreundlich zu machen und so einen Ab¬
stimmungssieg und den Anschluß des Saargebietes zu erreichen“8.
Das Buch, das sich nach der Katastrophe des Weltkrieges der Völkerverständi¬
gung verpflichtet sah, versuchte die unterschiedlichen Interessen möglichst sach¬
lich und unparteiisch darzustellen.
Das Buch „Wege der Völker“ konnte sich nicht durchsetzen - trotz oder mög¬
licherweise auch wegen Unterstützung von Seiten der Besatzungsbehörden4. Die
Deutungsmacht darüber, welche Geschichte in den Geschichtsbüchern zu vermit¬
teln sei, erlangten traditionell orientierte Historiker. Mit dem „Grundriss der Ge¬
schichte“ schrieben die Herausgeber Hans Herzfeld, Franz Schnabel und vor allem
Gerhard Ritter für viele Jahre und für viele Schülerinnen und Schüler eine traditio¬
nell politik- und nationalgeschichtlich orientierte Geschichtsdarstellung und damit
einen entsprechenden Geschichtsunterricht fest.
Die Informationen zu den die Saarregion betreffenden Bestimmungen des Ver¬
sailler Vertrages haben denn auch einen anderen Tenor. Bereits die Überschrift
signalisiert dies. Während das Kapitel in „Wege der Völker“ überschrieben war
mit: „Der Versailler Vertrag - ein Buch voll Bedingungen“, heißt das Kapitel im
„Grundriss der Geschichte“: „Landabtretungen“. Es ist dann von „verlieren“ und
„Verlust“ die Rede und schließlich erfahren wir: Clemenceau erlangt [...] als Aus¬
gleich für die Kriegszerstörungen im nordfranzösischen Kohlengebiet den Besitz
der Saargruben. Das Saargebiet (650.000 Einwohner) wird der Verwaltung ei¬
ner Völkerbundskommission unterstellt und soll sich nach 15 Jahren durch ein
Plebiszit entscheiden, ob es zu Deutschland zurückkehren, sich an Frankreich
anschließen oder dauernd unter internationaler Verwaltung bleiben will'0. Die Ka¬
tegorien, mit denen die Bestimmungen hier erklärt werden, sind die des Natio¬
nalstaates, dessen Macht sich unter anderem in Größe und Menschenzahl messen
lässt.
Während 1957 die Schülerinnen und Schüler in „Werden und Wirken“ erfuhren,
dass die Kohlengruben des Saargebietes als „Wiedergutmachung“ (Anführungszei¬
chen im Original) sofort an Frankreich abzutreten waren ', wurde in „Spiegel der
* Wege der Völker. Geschichtsbuch für deutsche Schulen, Ausgabe A, Band IV, Berlin
und anderswo (Pädagogischer Verlag Berthold Schulz) 1950, S. 228.
9 Rainer Riemenschneider, Das Geschichtslehrbuch in der Bundesrepublik. Seine Ent¬
wicklung seit 1945, in: Gesellschaft, Staat, Geschichtsunterricht (wie Anm. 6), S. 295-
312, hier: S. 298. Vgl. zu dem kurzen Erfolg des Buches auch Falk Pingel, Geschichts¬
lehrbücher zwischen Kaiserreich und Gegenwart, in: Geschichtsunterricht und Ge¬
schichtsdidaktik vom Kaiserreich bis zur Gegenwart. Festschrift des Verbandes der Ge¬
schichtslehrer Deutschlands zum 75jährigen Bestehen, hg. vom Verband der Geschichts¬
lehrer Deutschlands durch Paul Leidinger, Stuttgart 1988, S. 242- 260, hier: S. 250.
10 Grundzüge der Geschichte, Bd. IV, Die moderne Welt, zweiter Halbband, Hans Herz-
FELD, Weltstaatensystem und Massendemokratie, zweite Auflage (Klett) 1951, S. 64
(Hervorhebung im Original).
11 Werden und Wirken. Geschichtswerk in 3 Bänden Für die Oberstufe der höheren Schu¬
len, Bd. III: Neueste Zeit 1815-1956, von OStud.dir. Robert Mangelsdorf unter Mitar-
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