leben'. Geschichtsschulbücher können in diesem Sinne als wichtige Nahtstellen
zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis verstanden werden, denn,
wie Aleida und Jan Assmann feststellen, „der Übergang aus dem kommunikativen
Gedächtnis ins kulturelle Gedächtnis wird durch die Medien gewährleistet“1 *. Ge¬
rade eine diachrone Perspektive kann verdeutlichen, welche Geschichtsbilder in
welcher Zeit und in welcher Weise zu „Meistererzählungen“ bestimmter Ereignisse
werden. Die ebenso didaktische wie hermeneutische inhalts- und textanalytische
Untersuchung fragt in diesem Zusammenhang gleichzeitig nach den „underlying
assumptions“, den verborgenen Vorannahmen, die die Darstellung prägen4.
In diesem Kontext können nicht alle Bücher ausgewertet werden. Deshalb bean¬
spruchen die folgenden Befunde keine Repräsentativität in einem streng wissen¬
schaftlichen Sinn. Stichproben in etwa 50 der meistbenutzten Bücher über die 60
Untersuchungsjahre hinweg erlauben es jedoch, Tendenzen festzustellen und in ih¬
rer Entwicklung zu bewerten.
Wenngleich mit der „Saarfrage“ zumeist die Versuche gemeint sind, in der
Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges eine französische und deutsche Interessen
gleichermaßen zufriedenstellende Lösung für einen zukünftigen Status der Saar zu
finden, gilt diese Definition auch schon für entsprechende Bemühungen nach Be¬
endigung des Ersten Weltkrieges. Bereits nach 1919 war die Region „Zankapfel“
zwischen Frankreich und Deutschland und wurde 1920 als Mandatsgebiet des Völ¬
kerbundes wirtschaftlich mit Frankreich verbunden. 1935 entschieden sich die
Saarländerinnen und Saarländer für eine Rückgliederung an Deutschland. 1947
wurde die Saar zu einem autonomen Staat und nach einem zweiten Plebiszit 1955
wurde das Saarland 1957 als Bundesland in die Bundesrepublik Deutschland ein¬
gegliedert und die lange strittige (zweite) Saarfrage fand einen Abschluss5.
Vgl. Konrad H. Jarausch, Die Krise der nationalen Meistererzählungen. Ein Plädoyer
für plurale interdependente Narrative, in: Die historische Meistererzählung. Deutungs¬
linien der deutschen Nationalgeschichte nach 1945, hg. von ders. und Martin Sabrow,
Göttingen 2002, S. 140-162, hier: S. 152.
Aleida Assmann und Jan Assmann, Das Gestern im Heute. Medien und soziales Ge¬
dächtnis, in: Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in Kommunikationswis¬
senschaften, hg. von Klaus Merten, Siegfried J. Schmidt und Siegfried Weischen-
berger, Opladen 1994, S. 114-140, hier: S. 120; vgl. Jan Assmann, Das kulturelle Ge¬
dächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, 6. Aufl.,
München 2007; vgl. dazu auch Wolfgang Jacobmeyer, Konditionierung von Ge¬
schichtsbewußtsein: Schulgeschichtsbücher als nationale Autobiographien, in: Gruppen¬
dynamik 23 (1992) Heft 4, S. 325-388.
4 Vgl. K. Peter Fritzsche, Vorurteile und verborgene Vorannahmen, in: Schulbücher auf
dem Prüfstand. Perspektiven der Schulbuchforschung, hg. von dems., Frankfurt/Main
1992, S. 107-124.
5 Ludwig Linsmayer, Gründervisionen: Politik und Kultur im Saarstaat (1947-1955), in:
Die Geburt des Saarlandes. Dramaturgie eines Sonderweges, hg. von dems., Saarbrücken
2007, S. 19-101, hier: S. 19.
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