im Stadtgebiet von Neunkirchen in die Blies mündenden Sinnerbach und der Ros¬
sel - als das am stärksten verschmutzte saarländische Gewässer, wobei der Anteil
der Industrie, also der Gruben und des Hüttenwerks, an der Verschmutzung bei et¬
wa 70% lag64. Das Neunkircher Eisenwerk leitete täglich rund 80.000 m' in die
Blies; selbst das werkseigene Labor bezeichnete im März 1953 eine dem Kanal der
Sauerstoffanlage beim Einlauf in den unteren Hammergraben entnommene Was¬
serprobe als außerordentlich stark belastet, wies sie doch 45,72 g/L mechanische
Verunreinigungen mit unter anderem sehr hohen Gehalten an Öl, Chloriden und
Cyaniden auf’5 66. Erst seit Mitte der 1970er-Jahre ließ sich dann eine spürbare Ver¬
besserung der Wasserqualität der Blies unterhalb Neunkirchens feststellen, die zum
Teil auf die Inbetriebnahme von Kläranlagen in Neunkirchen-Wellesweiler (1974),
Limbach (1975) und Homburg (1978) zurückzuführen war; von entscheidender
Bedeutung hierbei war jedoch die drastische Verringerung der industriellen Einlei¬
tungen im Raum Neunkirchen infolge der stufenweisen Stilllegung des Eisenwerkes
bis zum Jahr 1983 sowie der Schließung der meisten Kohlengruben im Raum
Neunkirchenbb.
Der seit Jahrzehnten anhaltende Strukturwandel des Saarlandes, der mit dem für
2012 festgesetzten Ende des Steinkohlebergbaus sein vorläufiges Ende finden
wird, hat neben gravierenden wirtschaftlichen Problemen nicht zuletzt die Frage
aufgeworfen, wie und zu welchen Zwecken das Erbe des Industriezeitalters be¬
wahrt und erinnert werden soll. Kohle- und Stahlindustrie haben eine Reihe von
„umkämpften“ Erinnerungsorten hinterlassen, in denen sich die historische Einma¬
ligkeit einer Epoche widerspiegelt, und zwar nicht allein mit Blick auf die gut er¬
forschte Geschichte von Auseinandersetzungen um gewerkschaftliche Organisation
und von Arbeitskonflikten, sondern auch hinsichtlich der seit beinahe zwei Jahr¬
hunderten auftretenden industriebedingten Umweltveränderungen und -Schäden. Es
wäre fahrlässig, die Erforschung letzterer weiterhin zu vernachlässigen, denn die
Umweltgeschichte kann durchaus einen „zentralen Zugang zur Geschichte“ bieten,
„von dem aus sich vieles andere erschließen lässt“67.
Gerade der Bergbau war auf der einen Seite das identitätsstiftende Element der
Region und nicht nur aufgrund der Beschäftigtenzahlen der wichtigste Sektor der
saarländischen Industriegesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. Auf der andern
64 Vgl. Bericht zur Tagung des Wasserwirtschaftsamtes des Saarlandes vom 17.3.1961, in:
StAN/Dep, 1/8/53/57 (Wasserwirtschaft 1953-1970), o. S.
65 Vgl. Abwasser der Sauerstoffanlage, in: ebd., o. S. - Die Abwässer der Sauerstoffanlage
gelangten hauptsächlich direkt in die städtische Kanalisation und nur zu einem geringen
Teil in den Hammergraben. Um das „Problem“ zu lösen, empfahl das Labor im Übrigen
keine ausreichende Klärung des Abwassers, sondern sprach sich für eine Verlegung des
gesamten Abflusses in den Werkskanal aus, damit im Sinne eines reibungslosen Produk¬
tionsablaufes das als Kühlwasser benutzte Wasser des unteren Hammergrabens nicht
mehr verunreinigt würde.
66 Gewässergütebericht Blies 1989, hg. vom Minister für Umwelt des Saarlandes,
Saarbrücken 1989, S. 20f.; vgl. ferner Bäche und Flüsse immer sauberer, hg. vom Minis¬
terium für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes, Saarbrücken 1997, S.
20-27.
6 „Ich wollte meinen eigenen Weg gehen“. Ein Gespräch mit Joachim Radkau, in: Zeithis¬
torische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 9 (2012), H. 1,
URL: http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041 -Radkau-1 -2012.
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