dass sie kurz vor 9 Uhr in den Feuerstellen eintreffen11. Eine ähnlich general¬
stabsmäßige Planung erforderte auch der große Festzug am Sonntagnachmittag.
Hier war schon zuvor durch Los festgelegt wurden, in welcher Reihenfolge die
Vereine und Gruppen aus den verschiedenen Stadtteilen aufzumarschieren hatten.
Da immer auch Militärkapellen, Kriegervereine und paramilitärische Verbände am
Festzug beteiligt waren, kann man wohl davon ausgehen, dass die Planer Wert da¬
rauf legten, dass es bei der Aufstellung des Festzugs zu einer Symbiose von zivil¬
gesellschaftlichen Gruppen und militärischen Formationen kam. Es sollte eine pat¬
riotische Heerschau werden, die die untrennbare Verschmelzung von Militär- und
Zivilgesellschaft dokumentierte.
Angesichts dieses allseits erkennbaren ehrenamtlichen Engagements und der
Einmütigkeit aller Akteure erübrigt sich im Grund der Hinweis, dass es in den
Monaten vor der Jahrhundertfeier keinerlei Kritik oder Widerstand gab. In der
Stadtverordnetenversammlung dominierte die Fraktion der Nationalliberalen, Ver¬
treter der SPD waren aufgrund des ungleichen Wahlrechts dort nicht vertreten. Lo¬
kale Führer des Zentrums hatten zwar immer wieder gegen die nationalliberale
Mehrheit aufbegehrt, aber offensichtlich war niemand bereit, eine patriotische Ju¬
belfeier kritisch zu bewerten und sich damit dem Verdacht nationaler Unzuverläs¬
sigkeit auszusetzen. Dabei hätte ein Blick in die Tageszeitungen in diesen Wochen
gereicht, um zu erkennen, dass politische Konflikte, Hochrüstung und die Verlän¬
gerung der Wehrpflicht den Frieden in Europa in hohem Maß bedrohten und ein
großer Krieg jederzeit möglich war.
Das Festprogramm und Grundlinien der kollektiven Gedächt¬
niskonstruktion
Am 18. September sandte der Arbeitsausschuss folgenden Aufruf an die Saarbrü¬
cker Bürgerschaft an alle lokalen Zeitungen, der dann auch am folgenden Tag zum
Beispiel in der Saarbrücker Zeitung auf der ersten Seite abgedruckt wurde:
Am 18. Oktober werden 100 Jahre vergangen sein, seit das gewaltige Ringen der
Völker um die Befreiung vom französischen Joch auf Leipzigs Schlachtfeldern ei¬
nen Höhepunkt erreichte. Auch den Saarbrücker Landen ging auf Leipzigs blutge¬
tränkten Gefilden ein neues Morgenrot auf neu wurde die Hoffnung belebt auf
baldige Erlösung von der hier länger als auf anderen deutschen Landen schwer
und drückend lastenden, nur widerwillig ertragenen Fremdherrschaft. Zwar gin¬
gen die Wünsche der stets deutsch gebliebenen Saarbrücker erst im Jahre 1815 in
Erfüllung, aber die Tage von Leipzig im Jahre 1813 gaben ihnen die Kraft und das
Vertrauen zu weiterem Ausharren in ihren deutsch-patriotischen Bestrebungen,
trotz der ihnen dadurch drohenden Gefahren. Daher sollen die Erinnerungstage an
die Völkerschlacht bei Leipzig, die in allen deutschen Gauen festlich begangen
werden, gerade hier bei uns in Saarbrücken zu Vaterländischen Festtagen, zu ech¬
ten deutschen volkstümlichen Feiertagen würdig gestaltet werden.
Wenn am Abend des 18. Oktober auf Saarbrückens Höhen in weitem Kranze die
Feuer zum Himmel lodern, wenn Saarbrückens Flammenzeichen hinaus leuchten
weit in die Lande, am fernen Horizont andere deutsche Freudenfeuer grüßend,
dann soll auch eine frohe heilige Begeisterung aufflammen in den Herzen von alt
27 Saarbrücker Zeitung vom 5. Oktober 1913.
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