überrollten. Diese Auffälligkeiten müssen daher - unter Bezug auf die neuesten
Forschungen zur herrschaftlichen „Hexenpolitik“1und zum Ausschusswesen im
Rhein-Maas-Raum112 113 - abschließend thesenartig beleuchtet werden.
IV. Hexenpolitik - Thesen und Ausblick
Europäische Hexenjagden konzentrierten sich auffällig häufig in kleineren bis mitt¬
leren geistlichen, kleinadeligen und städtischen Herrschaftseinheiten. Seit den
1980er Jahren hat man die Korrelation zwischen einer als im weitesten Sinne kon¬
fliktträchtig wahrgenommenen herrschaftspolitischen Situation - meist verbunden
mit religiösen und/oder wirtschaftlichen Krisenszenarien - und einer gesteigerten
Durchführung von Hexere¡verfahren erkannt114. In diesem Zusammenhang wird in¬
zwischen von einer politischen Nutzung, ja Instrumentalisierung von Hexereiver¬
fahren im Rahmen dezidierter „Hexenpolitik“ gesprochen. Mithin muss die fatale
Verquickung demonstrativer Herrschafts- und Gerichtspraxis mit der Jagd nach
112 Zur Prägung des Begriffs, den Gudrun Gersmann in die Hexenforschung eingeführt hat,
vgl. Voltmer, Funktionen (wie Anm. 31), S. 100. - Zum herrschaftspolitischen Para¬
digma vgl. außerdem Rita Voltmer, Hochgerichte und Hexenprozesse. Zur herrschaft¬
lich-politischen Instrumentalisierung von Hexenverfolgungen, in: Hexenprozesse und
Gerichtspraxis, hg. von Herbert Eiden und Rita Voltmer. Trier 2002, S. 475-525; Dies.,
Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis - Einführung und Ergebnisse, in: Hexenver¬
folgung und Herrschaftspraxis, hg. von Rita Voltmer, Trier 2005, S. 1-22; Dies., Hexe¬
reiverfahren und herrschaftspolitische Interessen: Die Prozesse Eisenschmitt (1592, 1595
und 1600), in: Erich Gerten, Eisenschmitt. Von der mittelalterlichen Eisenhütte zum Ei-
feler Wohn- und Erholungsort, Wittlich 2006, S, 327-336, 442-443; Rita VOLTMER, „He¬
xendorf1 Schmidtheim? Erste Überlegungen zu den Verfolgungen unter Reinhard d. J.
und Bertram Beissel von Gymnich (1597-1635), in: Schmidtheim. 500 Jahre Beissel von
Gymnich und Dorfgemeinde, Dahlem 2011, S. 387-403.
113 Vgl die grundlegenden Untersuchungen von Walter Rummel zu Kurtrier, kurtrierischen
Kondominien und zur Hinteren Grafschaft Sponheim (hier Anm. 82). - Zu St. Maximin,
ausgewählten Eifelherrschaften, Luxemburg, der Stadt Trier sowie einer vergleichenden
Gesamtsicht des Phänomens Voltmer, Monopole (wie Anm. 51); Dies., Zwischen Herr¬
schaftskrise, Wirtschaftsdepression und Jesuitenpropaganda. Hexenverfolgungen in der
Stadt Trier (15.-17. Jahrhundert), in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 27
(2001), S. 37-107, hier S. 87f.; Dies., ... ce tant exécrable et détestable crime de sorti¬
lège. Der Bürgerkrieg1 gegen Hexen und Hexenmeister im Herzogtum Luxemburg (16.
und 17. Jahrhundert), in: Hémecht. Revue d’Histoire Luxembourgeoise. Zeitschrift für
Luxemburger Geschichte 56 (2004), S. 57-92, hier S. 75-85; Dies., Konspiration gegen
Herrschaft und Staat? Überlegungen zur Rolle gemeindlicher Klagekonsortien in den
Hexenverfolgungen des Rhein-Maas-Mosel-Raumes, in: Staatsbildung und Hexen¬
prozess, hg. von Johannes Dillinger und Jürgen Michael Schmidt, Bielefeld 2008, S.
213-244. - Johannes Dillinger hat das Ausschusswesen in Kurtrier untersucht, insgesamt
aber deren angeblich kommunalistischen Bestrebungen stark übertrieben dargestellt;
Dillinger, Leute (wie Anm. 85), S. 305-317.
114 Vgl. nur Schormann, Hexenprozesse (wie Anm. 44), S. 65; Wolfgang Behringer, ,Er¬
hob sich das ganze Land zu ihrer Ausrottung...1. Hexenprozesse und Hexenverfolgung in
Europa, in: van Dülmen, Hexenwelten (wie Anm. 15), S. 131-69, hier S. 163.
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