tenstücke konnte hingegen Anton Jacob3' bearbeiten, der sich - gestützt auf Ar¬
chivrecherchen in den damaligen Archives Départementales de Nancy - intensiv
mit den Verfolgungen im Saargau auseinandersetzte und eine erste Liste der „Op¬
fer des Hexenwahns im Kreise Merzig“ vorlegte30. Fast zeitgleich beschäftigte sich
auch der Lokalhistoriker Rudolf Rehanek mit diesem Thema und publizierte Ak¬
tenfunde zu den Hexenprozessen aus dem Gebiet der Abtei Fraulautern (Schwar¬
zenholz)35 37. Beide erklärten die Hexereiverfahren als Folgen von „Massenpsychose“
(Jacob) und „Hexenwahn“ (Rehanek). Auch Wolfgang Krämer folgte diesem in¬
zwischen längst überholten Erklärungsmuster38. Ein Jahr vor Rehanek publizierte
er ebenfalls in den von Adolf Raskin39 herausgegebenen Heimatblättern der „süd¬
westdeutschen Grenzmark“ Hinweise auf Hexereiverfahren im Amt Blieskastel,
wobei er die Ereignisse als „unseligen Hexenwahn“ und „Trauerspiel“40 wertete.
Das Interesse an den lokalen Hexenprozessen zwischen 1928 und 1930 war wohl
einem allgemein angestiegenen Bedarf an politisch instrumentalisierbarer „Heimat¬
forschung“ geschuldet41.
Die Nationalsozialisten sollten ein ganz besonderes Interesse an den Hexenver¬
folgungen entwickeln. Im Jahr 1935 gründete Heinrich Himmler eine Arbeitsgrup¬
pe mit dem Decknamen H-Sonderauftrag (das heißt Hexen-Sonderauftrag), welche
systematisch Daten zu den historischen Hexenverfolgungen im gesamten deut¬
35 Anton Jacob (1891-1962) aus Mondorf war Mitarbeiter im Verein für Heimatkunde im
Kreis Merzig. 1952 berief man ihn zum Mitglied der Kommission für Saarländische
Landesgeschichte und Volksforschung
(Angaben nach http://www.saarland-biografien.de).
f’ Anton Jacob, Die Hexenprozesse in Merzig und Umgebung. Ein Beitrag zur Kultur- und
Sittengeschichte des Saarlandes, in: Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde im Kreis
Merzig 2 (1930), S. 29-72. - Vgl. auch Ders., Ein interessantes Dokument aus der He¬
xenzeit a. d. Saar, in: Trierische Heimat 6 (1929/1930), S. 133f. (zu einem Prozess aus
Fraulautem); Ders., Über Hexenprozesse im Hochgericht Merzig-Saargau, in: Trierische
Heimat 6 (1929/30), S. 35f.
Rudolf Rehanek, Die Hexen von Schwarzenholz. Hexenprozesse im Gebiet der ehemali¬
gen adeligen Frauenabtei Fraulautern, in: Südwestdeutsche Heimatblätter. Beiträge zur
Heimatforschung in der südwestdeutschen Grenzmark 3 (1929), S. 9-12, 17-21. Er griff
das Thema noch einmal knapp 50 Jahre später auf; R. Rudolf Rehanek, Fraulautem. Ge¬
schichte der Hochadeligen Abtei und des Dorfes, Saarlouis 1978, S. 95, 299f. - Zu
Rehanek gibt es noch keinen Eintrag in den „Saarländischen Biografien“; vgl. zu ihm Jo¬
hannes Djllinger, Eine erfundene Tradition. Zum Kaltenstein auf dem Hoxberg, in:
Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 53/54 (2005/2006), S. 23-34, hier S. 24f.
Vgl. dazu unten Anm. 160.
',9 Der Journalist und Runkfunkpionier Raskin wurde 1934 von Joseph Goebbels als Leiter
der Saarkampfzentrale des deutschen Rundfunks in Frankfurt am Main eingesetzt. Schon
zuvor hatte er sich bei der Gleichschaltung der Rundfunkanstalten einen Namen gemacht;
Birgit Bernard, Adolf Raskin, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 31
(2010), Sp. 1091-1095.
Wolfgang Krämer, Eine Hexenverbrennung im Amt Blieskastel am 30. Januar 1599.
Ein Beitrag zur Kulturgeschichte unserer Heimat, in: Südwestdeutsche Heimatblätter.
Beiträge zur Heimatforschung in der südwestdeutschen Grenzmark 2 (1928), S. 42-44.
41 Herrmann, Forschung (wie Anm. 30), S. 385.
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