tung: „Wie steht es um die Landesgeschichte?“5 Dabei hatte die universitär veran¬
kerte Landesgeschichte - zumindest an den drei Lehrstühlen in Saarbrücken, Trier
und Tübingen - bereits seit den 1980er Jahren ein weites und zukunftweisendes
Forschungsfeld von öffentlichkeitswirksamer Brisanz entdeckt: die Geschichte der
spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen6.
Insgesamt war die deutschsprachige Hexenforschung damit einem international
zu beobachtenden Trend gefolgt; denn bereits nach den 1970er Jahren hatte sich
die internationale Hexenforschung in regionalen Schwerpunkten organisiert. Ent¬
sprechende, heute zum Teil nicht mehr existierende Gruppen bildeten sich in den
Niederlanden, in Österreich, in Ungarn, dann in der Schweiz, in Schottland und in
Norwegen sowie in Lemgo. Als eine Art Dachverband der nationalen wie interna¬
tionalen Arbeitsgruppen zur Hexenforschung kann der 1985 gegründete Arbeits¬
kreis Interdisziplinäre Hexenforschung (AKIH) gelten, der institutionell an die
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und an das Institut für Geschichtliche
Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen - auch
nach der Emeritierung von Gründungsvater Sönke Lorenz - angebunden ist7. Mit
seinen über 200 Mitgliedern - vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum, aber
auch aus anderen europäischen Ländern und den USA - vereint der AKIH Fach¬
leute aus der Rechts-, Medizin-, Pharmazie-, Sozial-, Wirtschafts- und Kunstge¬
schichte, der allgemeinen Geistes- und Landesgeschichte, der historischen Anthro¬
pologie, Ethnologie, Theologie und Religionswissenschaft. Auf den jährlichen Ar¬
beitstreffen in Stuttgart-Hohenheim und den regelmäßigen großen öffentlichen
Akademie-Tagungen in Weingarten werden aktuelle Trends der Hexenforschung
diskutiert sowie laufende Arbeiten und Projekte vorgestellt, ferner Tagungsbeiträge
s Oliver Jungen, Heimatliche Orchideen. NRW als Beispiel: Wie steht es um die Landes¬
geschichte?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 206, 5. September 2007, S. N 3.
6 Als Einführung in die komplexe Thematik der spätmittelalterlichen und frühneuzeit¬
lichen Hexenverfolgungen vgl. Walter Rummel und Rita Voltmer, Hexen und Hexen¬
verfolgungen in der Frühen Neuzeit, 2. bibliographisch erweiterte Auflage Darmstadt
2012; Rita Voltmer, Hexen. Wissen was stimmt, Freiburg im Breisgau 2008. - Zur For¬
schungsgeschichte vgl. darüber hinaus Wolfgang Behringer, Geschichte der Hexenfor¬
schung, in: Wider alle Hexerei und Teufelswerk. Die europäische Hexen Verfolgung und
ihre Auswirkungen auf Süddeutschland, hg. von Sönke Lorenz und Jürgen-Michael
Schmidt, Ostfildern 2004, S. 485-668; Eichhorn, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 4),
S. 251-310; Rita Voltmer, Netzwerk, Denkkollektiv oder Dschungel? Moderne Hexen¬
forschung zwischen „global history“ und Regionalgeschichte, Populärhistorie und
Grundlagenforschung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 34 (2007), S. 467-507;
Dies., Mythen, Phantasien und Paradigmen - Zu Deutungen der Hexenverfolgungen, in:
Hexen. Mythos und Wirklichkeit, hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer, Spey¬
er 2009, S. 189-199.
Vgl. für das Folgende Sönke Lorenz und Dieter R. Bauer, „Hexenforschung“ - eine
Einführung zur Reihe, in: Das Ende der Hexenverfolgung, hg. von DENS., Stuttgart 1995,
S. IX-XVI.
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