Full text: Historische Blicke auf das Land an der Saar

soll daher versucht werden, die wichtigsten Lebensstationen des jungen Grafen 
anhand der Inschrift zu rekonstruieren. 
Das „Reisen durch fremde Lande“, die sogenannte Kavalierstour, ist in der 
adligen Erziehung der Frühen Neuzeit geradezu eine Selbstverständlichkeit1*. Lei¬ 
der spricht die Inschrift nur pauschal von orae exterae, die Karl Siegfried von 
seinem 12. bis zum 16. Lebensjahr besucht habe. Nur ein glücklicher Zufall er¬ 
öffnet uns nähere Aufschlüsse: Ein „Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon“ des 18. 
Jahrhunderts skizziert den Karriereverlauf des Juristen Georg Siegmund von 
Richter (1645-1711) und stellt unter anderem fest, dass dieser „eine Hofmeister¬ 
stelle bey dem Hn. Grafen von Nassau-Sarbrücken, Johann Ludwig, über dessen 2 
Söhne, Carl Siegfried und Ludwig, annahm, mit welchen er 1672 nach Frankreich 
reiste und zu Paris bis 1675, also ganzer drey Jahre, verweilte“19 *. Das Gelehrten- 
Lexicon, das seine Kenntnisse aus „dem eignen Aufsatz des Hn. von Richters“ 
schöpft, will sogar wissen, dass die kleine Reisegruppe bei dem „Chur-Trierischen 
und Pfalz-Neuburgischen Präsidenten, Hn. Heirs“211 Logis genommen habe. Hier 
jedoch scheinen dem Verfasser gleich mehrere Lesefehler unterlaufen zu sein, 
denn der Hauswirt, bei dem die Nassau-Saarbrücker abstiegen, hieß in Wahrheit 
Johann Heiss (t 1688); er fungierte auch nicht etwa als „Präsident“, sondern als 
kurtrierischer und kurpfälzischer Resident, das heißt als Gesandter, in Paris. Später 
trat er in französische Dienste und wurde als Baron von Kogenheim nobilitiert. 
Literarische Berühmtheit erlangte er durch eine zweibändige Histoire de 1’Empire, 
die er 1684 veröffentlichte'1. In seinem Hause logierte auch der junge Graf Philipp 
Willhelm zu Boineburg (t 1717), als er mit seinem Hofmeister Sinoid Schütz Paris 
besuchte. Für die Unterkunft hatte er eine jährliche Pension von 1000 Talern zu 
entrichten22. In ähnlicher Größenordnung dürften somit auch die Ausgaben Karl 
Siegfrieds und seines Bruders Ludwig gelegen haben. 
Nachdem Karl Siegfried seinen Paris-Aufenthalt beendet hatte, schloss er sich 
zunächst, wie es in der Grabinschrift heißt, seinem avunculus, also seinem Onkel 
von mütterlicher Seite, an. 
Dessen Name bleibt zwar ungenannt, doch zur Identifizierung genügt der 
Hinweis, er sei der Führer der Legio Alsatica gewesen. Gemeint ist das Deutsche 
lx Siehe dazu neuerdings die ausführliche Darstellung von Eva Bende, Die Prinzenreise. 
Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des 17. 
Jahrhunderts (Schriften zur Residenzkultur 6), Berlin 2011. 
1J Georg Andreas Will, Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon oder Beschreibung aller Nürn- 
bergischen Gelehrten beyderley Geschlechtes nach ihrem Leben, Verdiensten und Schrif¬ 
ten, Teil 3, Nümberg/Altdorf 1757, S. 314-317, hier S. 315f. — Der hier erwähnte Ludwig 
war ein jüngerer Bruder Karl Siegfrieds, geboren im Jahre 1661; siehe KÖLLNER, Ge¬ 
schichte (wie Anm. 11), S. 340; Schwennicke, Stammtafeln (wie Anm. 10). 
20 Ebd. S. 316. 
Zu Johann Heiss siehe die biographischen Angaben bei Paul Wiedeburg, Der junge 
Leibniz, das Reich und Europa (Historische Forschungen 4), Bd. 1, Teil 2, Wiesbaden 
1962, S. 282; vgl. auch Art. „Heiss, John“, in: General Biography or Lives, Critical and 
Historical, of the Most Eminent Persons of All Ages, Countries, Conditions and Pro¬ 
fessions, Bd. 5, London 1804, S. 100. 
22 Christian Brodbeck, Philipp Wilhelm Reichsgraf zu Boineburg. Kurmainzischer 
Statthalter zu Erfurt (1656-1717), Diss. Jena 1927, S. 19, Anm. 6. 
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