Wenn man von der Betrachtung der grauen Irdenware zur glasierten Irdenware
zurückkommt, so unterscheidet sich letztere vom Alltagsgeschirr allein schon da¬
durch, dass es sich entgegen dem universell nutzbaren Geschirr aus grauer Irden¬
ware bei der glasierten Keramik fast ausschließlich um Schankgeschirr handelte.
Ihre Herstellung erforderte einen höheren Arbeitsaufwand, und zwar allein schon
für das Aufbereiten der verschiedenen Materialien und im Falle der glasierten,
reich verzierten Irdenware zusätzlich für schmückende Applikationen. Es war
schließlich nicht nur eine einzige Tonmasse aufzubereiten, sondern zusätzlich zum
Ton, aus dem man die Gefäße drehte, noch eine oder eventuell sogar zwei weitere
Sorten: Häufig verwendete man nach der Ausformung der Gefäße, jedoch noch vor
dem Anbringen weiterer Verzierungen eine Engobe. Dieser sehr feine Tonschlicker
wurde flächendeckend als dünner Überzug auf die rohen Gefäße aufgetragen, um
eine glattere, oft farblich intensivere Oberfläche zu erzielen. Danach wurden die
Gefäßkörper verziert, zum Beispiel durch umlaufende Rillen auf den Gefäßschul¬
tern (Abb. 3, S. 297). Wollte man plastische Dekore anbringen, benötigte man
einen weiteren feinen, möglichst hell brennenden Ton. Ein Teil der Applikationen
wurde zuerst in Modeln geformt, bevor sie angebracht wurden, andere wiederum
wurden erst nach dem Aufbringen gestempelt (Abb. 4, S. 297) oder durch Ein¬
kerben modelliert. Darüber hinaus mussten die Glasuren hergestellt werden. Hierzu
wurden neben Quarzsand als Hauptbestandteil und Bleioxid als Flussmittel zur
Herabsetzung des Schmelzpunkts verschiedene färbende Rohstoffe beschafft, denn
die transparenten Bleiglasuren wurden durch Zugabe weiterer Mineralien einge-
fürbt. Die häufig verwendete gelblich-transparente Glasur enthielt zum Beispiel
Bleimennige. Alternativ wurden der Grundmasse zum Beispiel Kupfer-II-Oxid für
eine im oxidierenden Brand grünliche und Eisenoxid für eine braune Färbung zu-
gegeben\ Alle diese Ausgangsstoffe wurden nach bestimmten Rezepturen ver-
wogen, möglichst fein ausgemahlen, gemischt und mit Wasser zu dünnflüssigem
Brei angerührt. Dies war aufgrund der giftigen Bestandteile ein gesundheitsschäd¬
licher Arbeitsprozess, denn das Einatmen der bleihaltigen Stäube oder der Haut¬
kontakt mit dem Glasurbrei ließen sich gewiss nicht im notwendigen Umfang
vermeiden* 9. Auf die Außenseite der fertig verzierten, trockenen und eventuell
schon einem ersten Brand bei niedrigerer Temperatur, dem so genannten Schrüh-
brand, unterzogenen Gefäße wurde der Glasurbrei dünn und gleichmäßig aufge¬
tragen111. Erst nachdem dieser getrocknet war, wanderten die Rohprodukte in den
Karl Herold, Konservierung von archäologischen Bodenfunden. Metall, Keramik, Glas
(Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Sit¬
zungsberichte, 565. Bd.), Wien 1990, S. 88-91; Michael Cardew, Der Pionier Töpfer,
Bonn 1980, S. 140.
9 Bernd PFANNKUCHE, Dumont's Handbuch der Keramikglasur, Köln 1984, S. 215: „[...]
sind eine große Anzahl der keramischen Rohstoffe gesundheitsgefährdend. Über längere
Zeit dauernder unsachgemäßer Umgang mit diesen Stoffen kann zu Hautkrankheiten,
Staublunge, Störungen des Muskel- und Nervensystems und selbst zu Krebs führen. Am
gefährlichsten sind diese Stoffe im staubförmigen Zustand [...] und in Form von Gasen,
die beim Brennprozeß freigesetzt werden. Die Aufnahme kann durch Einatmen, beim
Essen und Trinken und manchmal durch die Haut erfolgen.“
Unter den archäologischen Funden des Töpfereibezirks in Metz-Pontiffroy waren Ge¬
fäße, die bereits einmal gebrannt, aber noch unglasiert waren. Sie waren wegen Mängeln
aussortiert und weggeworfen worden. Die Autoren und Autorinnen betonen jedoch, dass
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