Glasierte Irdenware des 13. und 14. Jahrhunderts.
Ein Forschungsbericht
Christel Bernard
Die Gefäßkeramik des Mittelalters ist für die Saargegend mit Ausnahme einiger
Fundkomplexe1 erst ansatzweise erforscht, und man ist von einem flächendecken¬
den Kenntnisstand zu Vorkommen und Verbreitung einzelner Waren und Gefä߬
formen noch weit entfernt. Jedoch hebt sich bereits beim heutigen Forschungsstand
eine besondere keramische Fundgruppe von der Masse ab, die durch ihre außerge¬
wöhnliche Gestaltung sofort ins Auge fällt. Während die unglasierte, grau ge¬
brannte Irdenware2 spätestens seit dem 11. Jahrhundert den größten Anteil am ke¬
ramischen Fundgut der Saarregion einnimmt und das Erscheinungsbild der Kera¬
mik bis weit in das 15. Jahrhundert hinein prägt, werden Bruchstücke von glasier¬
ter, reich verzierter Irdenware der zweiten Hälfte des 13. und des 14. Jahrhunderts
nur sehr selten gefunden. In vielen archäologischen Fundkomplexen, die in diesen
Zeitraum datieren, ist sie sogar überhaupt nicht vertreten. Dieser Sachverhalt wirft
die Frage auf, warum dieses Geschirr im Gegensatz zur alltäglichen Ware in der
Saargegend eine Sonderstellung einnimmt. Gewiss kann man ein Zusammenspiel
vieler Aspekte als Ursachen dafür heranziehen, die sowohl die Technologie, den
Handel, politische Grenzen als auch die soziale Gliederung der Bevölkerung
betreffen (Abb. 1, S. 296).
Gewöhnliche Irdenware und glasierte Ware im Vergleich
Um den relativen Wert der glasierten und besonders der reich verzierten Keramik
auf dem damaligen Markt einzuschätzen, ist es vorteilhaft, sich vorab den Herstel¬
lungsprozess des Alltagsgeschirrs vor Augen zu führen: Das übliche graue Ge¬
schirr stellte man aus einer einzigen Tonart her, die die Töpfer aus möglichst in der
Nähe verfügbaren Tonlagern gewonnen und aufbereitet hatten. Auf der fußbetrie¬
benen Töpferscheibe wurden sodann Gefäße gedreht und die Gefäßoberflächen
lediglich flüchtig geglättet. Die Gefäße blieben somit mehr oder minder rauwandig,
und die Offenporigkeit und Hitzebeständigkeit sind wesentliche Eigenschaften die¬
1 Christel Bernard, Die Keramik im spätmittelalterlichen Kreuzgangbereich des Stiftes St.
Arnual, in: Leben und Sterben in einem mittelalterlichen Kollegiatstift, Archäologische
und baugeschichtliche Untersuchungen im ehemaligen Stift St. Arnual in Saarbrücken,
hg. von Hans-Walter Herrmann und Jan Selmer (Veröffentlichungen des Instituts für
Landeskunde im Saarland 43), Saarbrücken 2007, S. 361-390; Dies., Die Keramikfunde
vom Alten Brühl in Völklingen, in: Wiege einer Stadt - Forschungen zur Martinskirche
im Alten Brühl von Völklingen, hg. von Joachim Conrad, Saarbrücken 2010, S. 149-
190; Edith Peytreman, L'habitat déserté de Gungling à Grosbliederstroff (Moselle), IXe-
début XVIe siècle, in: Archéologie Médiévale, Centre National de Recherche Scientifique
(CNRS) Éditions, 36 (2006), S. 57-113, hier S. 95f, Abb. 33.2.
Als Irdenware bezeichnet man Keramik, deren einzelne Bestandteile nicht miteinander
verschmolzen sind, da sie unterhalb des Sinterpunkts, das heißt bei Temperaturen von ca.
800-1000°C gebrannt wird. Dadurch bleibt der Scherben offenporig und wasserdurch¬
lässig.
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