Agrippas Hoffnung, sie würde ihm an der Universität bzw. später an ihrem Hof, wo er
kurzzeitig das Amt des Historiographen versah, eine dauerhaft gesicherte Existenz und
Zuflucht vor seinen klerikalen Kritikern bieten, erfüllte sich jedenfalls nicht.
Mochten die Preisreden Agrippas aus durchsichtigen Gründen übertrieben sein, so
zählt Margarethe von Österreich doch auch im objektiven Rückblick zweifellos zu den
politisch wie auch kulturell einflussreichsten Fürstinnen ihrer Zeit, eine Mäzenin zwischen
Herrschaft und Kunst par excellence, die sich auf beiden Gebieten einen auch für eine
Frau des Hochadels damals ungewöhnlich freien Handlungsspielraum zu erobern wusste.
Dabei sah es zu Beginn ihres Lebens ganz und gar nicht danach aus, als würde Margarethe
über irgendetwas, geschweige denn über sich selbst, je frei bestimmen können.* 4
Am 10. januar 1480 wurde Margarethe als zweites Kind des österreichischen Erzher¬
zogs und späteren Kaisers Maximilian und der Maria von Burgund in Brüssel geboren. Als
ihre Mutter zwei Jahre später bei einem Reitunfall stirbt, wird Margarethe Opfer der poli¬
tischen Streitigkeiten, die um die Herrschaft in den burgundischen Niederlanden ausbre¬
chen. Denn der französische König nutzt die Gelegenheit und sichert in diesem Machtva¬
kuum die lukrative Heiratspartie für seinen Sohn, den späteren Karl VIII. Margarethe
muss deshalb 1483 ihre Heimat verlassen und wird als Dreijährige nach Frankreich ge¬
bracht, wo sie am Hof in Amboise in der Umgebung von Anne de Beaujeu erzogen und
auf ihre Aufgabe als künftige Königin von Frankreich vorbereitet wird. Als sie elf fahre alt
ist, ändern sich die politischen Verhältnisse und mit ihnen die Pläne des französischen
Königs. Da inzwischen eine Heirat mit Anne de Bretagne vielversprechender erscheint,
annulliert Karl VIII. die alte Heiratsabrede und schickt Margarethe zurück in die Nieder¬
lande, eine Demütigung, die sie zeitlebens nicht vergessen wird, nicht nur, weil in ihrer
Bibliothek ein Buch mit dem Titel Le malheur de France die traumatische Erinnerung an
dieses Ereignis literarisch festhält." Sie verbringt die nächsten Jahre am Hof ihrer Taufpa¬
tin, Margarethe von York, der dritten Gemahlin ihres verstorbenen Großvaters Karls des
Kühnen, bis ihr Vater die nächste Ehe für sie aushandelt. 1497 verlässt sie die Niederlan¬
de, um in Burgos den spanischen Thronfolger Jüan zu heiraten. Doch als Juan bereits we¬
nige Monate nach der Hochzeit stirbt und sie statt des erhofften männlichen Erben ein
Mädchen zur Welt bringt, das die Geburt nur wenige Tage überlebt, muss Margarethe
wiederum in die Heimat zurückkehren. Noch ein drittes Mal arrangiert Maximilian eine
d’honneur féminin zu verfassen. Lemaires Arbeit an diesem Text, der leider verloren zu sein scheint, ist
noch Ende 1508 bezeugt. Siehe dazu Becker, Philipp August: Jean I jemaire, der erste humanistische Dichter
Frankreichs, Straßburg 1893, S. 124f. Zum Bildteppich vgl. Bell, Susan Groag: „Verlorene Wandteppiche
und politische Symbolik. Die Cité des Dames der Margarethe von Österreich“, in: Gisela Bock / Margarete
Zimmermann (Hg.): Die europäische Querelle des Femmes. Geschlechterdebatten seit dem 15. Jahrhundert {Querelles,
Jahrbuch für Erauenforschung 2), Stuttgart / Weimar 1997, S. 39-56.
4 Zur Biographie Margarethes siehe Willard, Charity Cannon: „Margaret of Austria: Regent of the Nether¬
lands“, in: Katharina M. Wilson (Hg.): Women Writers of the Renaissance and Reformation, Athens 1987,
S. 350-362 und Eichberger, Dagmar (Hg.): Women of Distinction. Margaret of York / Margaret of Austria, Leu¬
ven 2005, S. 26f.
3 Das zwischen 1493 und 1495 entstandene Gedicht eines unbekannten Verfassers ist in einer mit zwei
Miniaturen versehenen Pergamenthandschrift aufgezeichnet, die sich heute in Brüssel befindet (Bruxelles,
Bibliothèque Royale, ms. 11182). Siehe Debae: lut Bibliothèque (wie Anm. 3), Nr. 349, S. 482-484.