Full text: Zwischen Herrschaft und Kunst

zeichnete Position.M Doch da das Kästchen, wofür zahlreiche, formal ähnliche Exemplare 
sprechen, höfischem Gebrauch, etwa der Aufbewahrung von Schmuck, diente, ist wohl 
kaum an eine Warnung vor verwerflichen Sexualpraktiken im Sinne des Albertus zu denken. 
Abb. 20: Hölzernes Minnekästchen, Seitenteil: Dame pflückt Phalli von Baum. Villingen-Schwenningen, 
Franziskanermuseum 
Vielmehr wird, ironisch gebrochen und spielerisch-beziehungsreich, mit tradierten 
Formmodellen der chrisdichen Kunst experimentiert. Besonders das Vierpass-Medaillon, 
in dem die — frontal-symmetrische — Szene spielt, ist ein beliebtes formales Element 
christlicher Ikonographie. Für viele der auf den Luxusobjekten im Gebrauch adeliger 
Damen dargestellten Szenen ist solch beziehungsreiches, doppelbödiges Spiel mit tradier¬ 
ten, auf mehreren Ebenen zu lesenden Bildmustern geradezu Defmitionsmerkmal. Auf 
die Spitze getrieben wird solch souveränes Verfügen über christliche Bildmodelle und de¬ 
ren inhaltliche Umakzentuierung bei gleichzeitig verdecktem Beibehalten ihres ursprüngli¬ 
chen Bedeutungsgehalts bei einem um 1400 wohl in Florenz entstandenem Desco da par- 
to,M einem zwölfeckigen Gemälde von ca. 50 Zentimetern Durchmesser (Abb. 21), das 
eine am Himmel schwebende nackte Venus zeigt, gleich Maria von einer nur dieser vor¬ 
behaltenen Mandorla umstrahlt, flankiert von zwei nackten amores gleich den Engeln der 
84 Siehe zu diesem Themenfeld auch Brundage, James A: Imu>, Sex, and Christian Society in Médiéval Europe, 
Chicago 1987. 
85 Paris, Musée du Louvre, Inv. Nr. R.F. 2089. Siehe dazu Däubler-Hauschke, Claudia: Geburt und Memoria. 
Zum italienischen Bildtyp der deschi daparto, München / Berlin 2003, Nr. 17 (mit weiterer Literatur). 
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