merveille zu sehen: sein Löwenkampf, das gefährliche Bett, die Begrüßung durch die
Jungfrauen. Das zweite Feld — Lancelot überquert die Schwertbrücke — korrespondiert
formal durch die gleichermaßen auf beide Protagonisten herabprassenden Pfeile mit der
Wunderbett-Szene des dritten Kompartiments. Die Szenen der rechten Schmalseite kön¬
nen variieren: Entweder ist ein Ritter dargestellt, der ein Mädchen vor dem Zugriff eines
Wildmanns rettet, oder Galahad, der die Schlüssel zum Schloss der Jungfrauen erhält,
oder eine Kombination beider Motive. Auf dem linken Seitenteil schließlich wird eine
Einhornjagd mit der Baumgartenszene aus dem Tristan kombiniert.
Diese aus dem 7V?ä/ö«-Erzählzusammenhang herausgelöste Szene ist die zum Schmuck
von Luxus-Artikeln für höfische Damen am häufigsten benutzte literarischen Ursprungs.
Gut die Hälfte der mehr als 60 Bildzeugnisse des Tristan-Stoffs fokussiert die ikonogra-
phische Interpretation der als Text tradierten Geschichte auf diese einzige Episode: das
von Marke und Melot belauschte Rendezvous Tristans und Isoldens im Baumgarten.
Die Komposition ist streng symmetrisch gebaut: Links und rechts eines zentral platzierten
Baums steht je eine männliche und eine weibliche Figur, unter dem Baum befindet sich
die Quelle, in der sich Marke, im Baum versteckt, spiegelt. Allein drei elfenbeinerne Spie¬
gelkapseln mit dem Motiv sind bekannt. 4 * Zwei in Leder geprägte Schreibtafel-Etuis °
bringen die Szene sowie ein fragmenüerter Haarteiler aus Norditalien,6 alle aus dem 14.
Jahrhundert, wie auch ein englisches Holzkästchen im Victoria & Albert Museum Lon¬
don, dessen Deckel damit geschmückt ist. Ins erste Viertel des 15. Jahrhunderts werden
zwei wohl nach Ostfrankreich zu lokalisierende Kämme aus Buchsbaum datiert, ,s die auf
einer Seite ein Minneturnier zeigen, auf der anderen die Tristan-Baumgartenszene (Abb.
18), jeweils mit Spruchbändern in etwas ungelenkem Französisch: Isolde bittet Tristan,
auf die Fische in der Quelle — die dort im Wasser sich spiegelnden Lauscher im Baum — zu
3 Gottfried von Straßburg, Tristan, v. 14.607-14.906. Zu den Bildzeugnissen der Baumgartenszene siehe
Fouquet, Doris: „Die Baumgartenszene des Tristan in der mittelalterlichen Kunst und Literatur“, in: Zeit¬
schrift für deutsche Philologie 92 (1973) S. 360-370, und vor allem Curschmann, Michael: „Images of Tristan“,
in: Adrian Stevens / Roy Wisbey (Hg.): Gottfried von Strassburg and the Médiéval Tristan liegend. Papersfrom an
Anglo-North American Symposium, London 1990, S. 1-17, wieder abgedruckt in Ders.: Wort — Bild — Text.
Studien %ur Medialität des literarischen in Hochmittelalter undfrüher Neuheit (Saecvla Spiritalia 43), Bd. 1, Baden-
Baden 2007, S. 227-251.
4 Paris, Musée de Cluny; Rom, Vatikan, Monumenti, Musei e Gallerie Pontificie (siehe zu diesen beiden
Ott (wie Anm. 72), Nr. 45 und 46); Antwerpen, Museum Mayer van den Bergh (siehe de Coo, Jozef: Mu¬
seum Mayer van den Bergh. Catalogus 2: Beeldhouwkunst, Antwerpen 1969, Nr. 2126).
3 Namur, Musée régional d’art et d’histoire, Frankreich, um 1340, siehe Ott: „Katalog der Tristan-
Bildzeugnisse“ (wie Anm. 72), Nr. 55; Wroclaw, Muzeum Narodowe, Schlesien, 2. Hallte 14. Jahrhun¬
dert, siehe Ott: „Katalog der Tristan-Bildzeugnisse“ (wie Anm. 72), Nr. 56.
6 Turin, Museo civico, Fllfenbein, Nordfrankreich oder Norditalien, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, siehe (Ott:
„Katalog der Tristan-Bildzeugnisse“ (wie Anm. 72), Nr. 47.
London, Victoria & Albert Museum, Fingland, um 1350; Schachspiel auf der Rückseite, Jagdszenen aui
den übrigen Seitenteilen, siehe Ott: „Katalog der Tristan-Bildzeugnisse“ (wie Anm. 72), Nr. 48.
78 Bamberg, Sammlung des Historischen Vereins für Bamberg, Mittelrhein, 1. Hälfte 15. Jahrhundert, siehe
Ott: „Katalog der Tristan-Bildzeugnisse“ (wie Anm. 72), Nr. 50 (dort fälschlicherweise unter London,
The British Museum, aufgeführt); Boston, Museum of Fine Arts, Schweiz oder Frankreich, 1. Viertel 15.
Jahrhundert, siehe The International Style. The Arts in Europe Around 1400 (Ausstellungskatalog: Walter Art
Gallery Baltimore), Baltimore 1962, Nr. 102 und Taf. CIL
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