Gebetbuch darunter, wohl aber eine dreibändige deutsche Bibel (Cod. Pal. germ. 16-18),
die mit insgesamt 300 kolorierten Federzeichnungen ausgestattet ist. Für eine spätmittelal¬
terliche, mit kolorierten Federzeichnungen illustrierte, deutschsprachige Werkstatthand¬
schrift ist das Anspruchsniveau der Illustrationen relativ hoch: Die Illustrationen sind
sorgfältig gerahmt, was für deutschsprachige Handschriften der Zeit keineswegs die Regel
ist; die Perspektive ist überwiegend gelungen, ebenso die Wiedergabe menschlicher Figu¬
ren, die in tiefenräumlichen Landschaften oder sehr variabel gestalteten, sich oft weit nach
hinten erstreckenden Innenräumen miteinander kommunizieren. Margarethe hatte sicher
Bilderhandschriften westlicher Produktion im Sinn, als sie ihre Codices in Auftrag gab
und den Illustrator aussuchte, der ihre Wünsche, so gut er konnte, sorgfältig erfüllte. Ihr
Interesse an auch neuester Literatur ist belegt, schließlich standen sie und der Stuttgarter
Hof mit Niklas von Wyle und wohl auch Heinrich Steinhöwel in Kontakt.66 Dies spiegelt
sich auch in der Auswahl der von ihr in Auftrag gegebenen Texte. Zwar ist auch das eher
,altmodische4, wenn auch weit ins Druckzeitalter hinein höchst beliebte Dietrichepos Sige-
not darunter, und zwar in einer höchst bemerkenswert illustrierten Handschrift (Cod. Pal.
germ. 67) insofern, als die eigentlich recht gleichförmigen, stereotypen Dialog- und
Kampfszenen, auf sämtlichen der 201 beschriebenen Seiten jeweils am Kopf der Seite
stehend, beim Durchblättern der Handschrift eine Art Daumenkino-Effekt ergeben. Bei
allen anderen Werken aber handelt es sich um neueste Literatur oder neue Bearbeitungen
älterer Stoffe: Die zweite Fassung der Versnovelle Die Heidin mit 81 Illustrationen im Cod.
Pal. germ. 353 diskutiert minnekasuistische Fragestellungen im epischen Handlungsrah¬
men, experimendert dabei mit unterschiedlichen Gattungsmerkmalen und nähert sich
tendenziell bereits der Romanform an; mit Elisabeths von Nassau-Saarbrücken Herpin mit
260 Illustrationen im Cod. Pal. germ. 152 (Abb. 16), einer Übersetzung der französischen
Chanson de geste Lion de Bonrges, wird der Versuch unternommen, den bislang im deut¬
schen Sprachraum folgenlos gebliebenen Prosaroman zu etablieren. Cod. Pal. germ. 345
enthält die vermutlich kurz nach ihrer Entstehung zu einer Handschrift verbundenen Tei¬
le Lohengrin mit 98 und Friedrich von Schwaben mit 109 kolorierten Federzeichnungen: beide
Texte charakteristisch für den spätmittelalterlichen Roman insofern, als fabula und historia
eine innige Verbindung eingehen, wobei für den Lohengrin die historische Vorbildhaftigkeit
als Deutungsangebot fungiert, während der Minneroman Friedrich von Schwaben eher zwi¬
schen zwar bereits brüchig gewordener Märchenwelt und historischer Konkretisierung
unentschieden oszilliert. Die kürzende Bearbeitung der anonymen Fassung B des Prosa¬
romans Pontus und Sidonia im Cod. Pal. germ. 142 mit 131 Illustrationen schließlich fügt
sich mit ihrer Ritualisierung höfischen Verhaltens nahtlos ein in das von der ,modernen1
Prosaliteratur transportierte Ideologiemodell der literarischen Ritterrenaissance des 15.
Jahrhunderts.
66 Zu den literarischen Interessen Margarethes siehe Backes, Martina: Das literarische Lehen am kurpfäfischen
Hof Heidelberg im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag gur Gönnerforschung des Spätmittelalters (Hcrmaea 68), Tübin¬
gen 1992, S. 177-185.
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