Ey wag ain edlin hertgogin
Von keim den ge ¿¿ewige sin
Von saffoy was sy geborn
Owe wie schädlich hat verlom
An ir du weit gemain ...
(„Es war eine edle Herzogin von Kärnten und Tirol gewesen, aus dem Geschlecht derer
von Savoyen stammte sie. O weh! Zu ihrem großen Schaden hat die ganze Welt sie nun
verloren...“).
Vergebens redet der Sänger ihnen zu, ihren Schmerz zu mäßigen; sich in das, was nicht
mehr zu wenden sei, zu fügen, ihrer — der „Freude“ und der „Ritterschaft“ Bestimmung
für die Welt zu folgen. Sie erklären ihm, dass sie entschlossen seien, in dieser Wildnis
Wohnung zu nehmen und ihre Tage in Trauer um die verlorene Herzogin und in Gebet
für ihre abgeschiedene Seele hinzubringen. Auch sein höfliches Anerbieten, bei ihnen zu
bleiben und ihnen zu dienen, nehmen sie nicht an. Sie danken ihm und senden ihn in die
Welt zurück, mit dem (nicht gerade zukunftsweisenden) Auftrag, all denen, die nach
„Freude“ und „Ritterschaft“ fragen, zu künden, dass diese sich auf ewig im Eremus be¬
graben hätten.
Man fragt sich, wie das allegorische Narrationsschema der Totenklage auf Beatrix von
Tirol zum niederrheinischen Verfasser, der offensichtlich deren einfache Struktur erweiterte
und unter Verwendung von aus anderen Quellen entlehnten Elementen komplizierte und
steigerte, gelangt sein könne. Dies ist freilich nicht so schwer zu erraten, wenn man den Au¬
tor im Umkreis des 1330 gegründeten Ettals und seines Stifters, Ludwigs des Bayern, ansie¬
deln darf. Seit 1324 war er mit Wilhelms III. Tochter Margarethe vermählt (vgl. die genealo¬
gische Tafel Abb. 1). Ein wohl aus dem Umkreis Gelres stammender Niederländer hat die
allegorische Motivik der Beatrixrede übrigens 1345 noch einmal — und zwar recht deutlich -
für seine Totenrede (,Een jämmerliche clage*) auf Wilhelm IW. von Holland verwandt1.
Wichtiger ist jedoch, wie die fürstliche Frau in der Totenrede jenseits des rituellen Ge¬
schäfts der Klage beschrieben wird: Eine individuelle Charakterisierung wird man nicht
erwarten dürfen, es sind topische Versatzstücke, die zur Etikettierung benutzt werden und
es ist letztlich Etikette, was daraus entsteht: (v. 535ff.). Sie ist aine rainefrom ywn'(„eine rei¬
ne, keusche, anmutige Dame“) sie ist recht tugentlich wie keine vor ihr, verfügt also über alle
gebotenen Tugenden, dar gu schon vnd minicklich („dazu schön und liebenswert“) (V. 538ff.):
Mit güchten friges mutes
Pf lag sy und was ir gutes
Milter dann ain kaini war
Da von müssen wir iemer swär
Dulden vmb dag raine wib
So volkomen wag ir lib
11 Vgl. Zacher, Julius: „Handschriften im Haag, Nr. 3 Liedersammlung (no. 721)“, in: Zeitschrift für deutsches
Altertum 1 (1841) S. 227-262, Teiledition S. 241 f. Neuere Editionen: van Vloten, J. (Hg.): „Onuitgegeven
Middelnederlandsche Verzen uit het Haagsche HS, no. 721 (Die Ehrenrede auf Graf Wilhelm IV von
Holland)“, in: De Dietsche Warande 9 (1871) S. 6-23; Kossmann, E.F.: Die Haager Liederhandschrft. Faksimile
des Originals mit Einleitung und Transkription, Haag 1940, S. 53-60. Vgl. Nolte: Eauda post mortem (wie
Anm. 1), S. 173-177.
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