sich vollziehende Kreuzigung zu dienen. Die Versenkung in die private, persönliche An¬
dacht — und das will die ,Portraif-Miniatur 14' auch sagen — befähigt Maria, die schließlich
auch auf den Namen der Gottesmutter getauft wurde, zu ihrer Rolle als Fürstin, macht
diese erst glaubhaft — wobei, und das sollte auch nicht vergessen werden, mit der durch
,Kunst4 demonstrierten Repräsentation dieser Privatheit, dieser Intimität, ein hohes Maß
an — fürsdichem — Selbstbewusstsein vorgeführt wird. Schließlich handelt es sich ja um ei¬
ne Angehörige des qua Kunst besonders repräsentationssüchtigen burgundischen Hofes.
Trotz des oft hohen künstlerischen Niveaus spätmittelalterlicher Stundenbücher ist die¬
se Stufe von Elaboriertheit nicht die Regel. Gebet- und Stundenbücher für Frauen, zumal
volkssprachliche, konnten zuweilen sehr bescheiden einher kommen. Mit zu den bedeu¬
tenderen deutschsprachigen Gebetbuchhandschriften gehört ein wohl im letzten Viertel
des 14. Jahrhunderts vermutlich in Prag entstandener Codex4' mit 27 Miniaturen - davon
24 als dem Text vorausgehender Bilderzyklus vom Leben und Leiden Christi wie in den
anfangs erwähnten Psalterien —, die von der Hand eines schwächeren Mitarbeiters der
Prager Wenzelswerkstatt, dem so genannten Meister der Paulusbriefe,4(1 stammen. Bei der
Besitzerin und/oder Auftraggeberin, die sich häutig als Adorantin zu erkennen gibt - ich
arme heißt es z.B. 62r, mir armen 75r —, dürfte es sich um eine Dame aus dem Hochadel ge¬
handelt haben, wie die Eingangsminiatur nahe legt, in der die vor Anna Selbdritt kniende
Besitzerin sich in einem Mantel mit Hermelinbesatz, der nur Fürsten Vorbehalten war,
und einem modischen Krüseler darstellen ließ (Abb. 10). Von durchaus intendiertem,
wenn auch kaum eingehaltenen Anspruch hingegen ist ein 1495 vom Basler Ratsschreiber
Niklaus Meyer zum Pfeil für sich und seine Frau Barbara, geborene zum Luft, geschriebenes
Gebetbuch4 mit einer Wappenseite - dem Allianzwappen der Eheleute vier von Ranken
bzw. Bordüren umschlossenen Miniaturen, deren Rankenwerk deutlich das Vorbild an¬
spruchsvoller Bordürenmalerei niederländischer Provenienz imitiert, und 46 zweizeiligen
Buchmalerinitialen, oft in Gold. Auf der ganzseitigen Miniatur Bl. 4' gegenüber dem Beginn
des Morgengebets O almechtiger ewiger güttiger gott Ich sagen dir lob vnd danck cß du mir uß diner
grundlosen barmhertgikeit dise vergangen nacht mirgesuntheit verliehen hast (41) kniet die Mitbesitzerin
Barbara, den Rosenkranz betend, vor einem Altar mit der Erscheinung des Schmerzens¬
manns; im Schlussstein der Kapelle ist das Wappen der Familie zum Luft zu sehen.
43 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin — Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 489; siehe Cermann, Regina,
in: Frühmorgen-Voss, Hella / Ott, Norbert H. / Bodemann, Ulrike (Hg.): Katalog der deutschsprachigen illu¬
strierten Handschriften des Mittelalters (KDIH), Bd. 5, Lfg. 1/2, München 2002, Nr. 43.1.27. (mit weiterer Li¬
teratur).
46 Siehe zu diesem Kletzl, Otto: „Studien zur böhmischen Buchmalerei“, in: Marburger Jahrbuch -^ur Kunstwis¬
senschaft 7 (1933) S. 1-76, hier S. 68-76; Kräsa, Josef: Die Handschriften König Wenzels IV., Wien 1971,
S. 276, Anm. 343.
4~ Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität, Cod. B XI 26, siehe Cermann, Regina, in: KDIH (wie
Anm. 45), Nr. 43.1.13.
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