te schon lange zerstört worden sind oder ihre Ausstattung in alle Winde zerstreut ist. Als be¬
sonders bemerkenswert fällt auch ins Gewicht, dass Frauenklöster gar nicht exklusiv liturgi¬
sche und biblische läteratur kopierten, sondern durchaus Interesse auch an weltlicher Dich¬
tung zeigten, die sie unter Umständen in ihren Liederbüchern rezipierten. ' Rein weltliche
Dichtung scheint aber kaum je in Klöstern geschahen worden zu sein, wenngleich so manche
weltlichen Themen, unter anderem sogar solche erotischer Natur, Einfluss auf die geistlichen
Texte ausübten. Obwohl ich das Thema der Lehre (Schule) nur knapp angeschnitten habe,
trifft ebenfalls zu, dass Frauenklöster wichtige schulische Zentren darstellten, obgleich sie zu¬
nehmend Abstand davon nahmen, Schülerinnen zu unterrichten, die keine Absicht hatten,
sich fest der Klostergemeinschaft anzuschließen.
Am wichtigsten dürfte aber sein, dass wir nun die Welt der Frauenklöster mit derjenigen
der mittelalterlichen Frauenliteratur schlechthin enger verbinden müssen, auch wenn die
Nonnen meistens bloß rezeptiv vorgingen und weniger kreativ ihre eigenen Werke schufen,
hingegen erstaunlich aktiv durch Kopierung sich oftmals beachtliche Bibliotheken schufen.
Welche Bücherschätze sie konkret mit sich ins Kloster brachten, wenn sie den Schleier an-
nahmen, lässt sich vorläufig nur abschätzen,"3 4 * aber wir können nun mit Sicherheit davon aus¬
gehen, dass spätmittelalterliche Frauenklöster durchaus als ernstzunehmende Zentren der Li¬
teratur- und Kulturproduktion zu beurteilen wären, die als ein vollwertiger Ersatz zur vita ac-
tiva jenseits der Klostermauern angesehen wurde, auf die man freiwillig verzichtet hatte.75 Die
Einflussnahme auf die Gesellschaft und Politik mittels der Herstellung von illustrierten
Handschriften, der Abfassung von Briefen und der Produktion von Kunstwerken im Auftrag
von Mäzenen wäre nun von Fall zu Fall genauer zu überprüfen, wenngleich der Tatbestand
an sich kaum in Zweifel zu ziehen wäre, bedenkt man die engen familiären Beziehungen zwi¬
schen den Klosterinsassen und ihren Familien bis in die höchsten sozialen Ränge hinein.
Dass Frauen die Volkssprache bevorzugten, mindert keineswegs ihren wichtigen Beitrag,
deutet vielmehr daraufhin, wie sehr sie wiederum für ein weibliches Lesepublikum schrieben,
das vor allem an paraliturgischen Texten Interesse zeigte."6
3 Dazu zuletzt Wolf, Jürgen: „vrowenphlegene ge lesene. Beobachtungen zur Typik von Büchern und Texten für
Frauen“, in: Eckart Conrad Lutz / Wolfgang Haubrichs / Klaus Ridder (Hg.): Text und Text in lateinischer und
volkssprachiger Überlieferung des Mittelalters. Freiburger Kolloquium 2004 (W° 1 fram-Studien XIX), Berlin 2006,
S. 169-190.
4 Gieba: Reformptaxis und materielle Kultur (wie Anm. 54), S. 111-115.
3 Elm, Kaspar: „Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter. Forschungen und Forschungs¬
aufgaben“, in: Untersuchungen gu Kloster und Stift (Veröffentlichungen des Max-Planck-lnstituts für Geschichte
68/ Studien zur Germania Sacra 14), Göttingen 1980, S. 188-238; Williams-Krapp, Werner: „Ordensreform
und Literatur im 15. Jahrhundert“, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 4 (1986/1987) S. 41-51.
'6 Wolf: „vrowen phlegene ge lesene“ (wie Anm. 73), S. 184-190.
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