unter anderem die Dialoge Gregors des Großen und die Summa von Johann Duns Scotus, ei¬
ne Geschichte der Heiden etc. enthalten. Dazu findet sich ein Traktat darüber, „waz der
sw[oestern] klaider bedütend und wie sy sich in tugenden nach der bedütung halten sond“, al¬
so der größte Teil vom Buch der Keformatio Predigerordens von Johannes Meyer. Dieser scheint
auch der Autor der Handschrift gewesen zu sein, wie Hauber vermutet,2 aber der Codex gibt
doch gut zu erkennen, wie reichhaltig und breit gefächert das Leseinteresse der Nonnen ge¬
wesen sein muss bzw. wie anspruchsvoll ihre Anforderungen an die Autoren waren, die ihnen
Texte besorgten.
Natürlich erweisen sich die meisten Bibliotheken in Frauenklöstern genauso theologisch
ausgerichtet wie die in Männerklöstern, wie das Beispiel von St. Katharina in St. Gallen lehrt.
Dort waren ein Schwesternbuch, Messbücher, Antiphonarien, ein Evangelienbuch und zahl¬
reiche Gebetsbücher in der Sammlung vorhanden. Was hier fasziniert, ist nicht nur das the¬
matische Spektrum, sondern die große Anzahl von Werken in der Bibliothek, was auf einen
hohen Bildungsstand der Nonnen schließen lässt, die in ihrem Interesse fortlaufend von ge¬
bildeten Schwestern unterstützt wurden, deren Aufgabe darin bestand, unablässig neue Ko¬
pien von anderen Büchern anzufertigen.28 Hauber macht uns auch auf eine Reihe von Bü¬
chern aufmerksam, die von Nonnen in Inzigkofen geschrieben wurden, unter denen die
Pröpstin Anna Jäck besonders hervorragt, wobei es sich allerdings um Kopiertätigkeit handelt
und nicht um kreatives Schreiben. Die von Hauber untersuchten Klöster gehörten jedoch
keineswegs zu den größeren und gut ausgestatteten monastischen Institutionen ihrer Zeit,
vielmehr fallen sie in die unterste Kategorie, mussten sich ja die Nonnen stets um ihren Le¬
bensunterhalt kümmern und hatten offensichdich wiederholt beträchtliche finanzielle
Schwierigkeiten, die sie dazu zwangen, sich der Schreibtädgkeit zu widmen und so ihre eigene
Bibliothek zusammenzustellen.29 Wir dürfen daher in Bezug auf viele der großen und reich
ausgestatteten Nonnenklöster mit wesentlich umfangreicheren Sammlungen rechnen, die
wichtiges Licht auf die Literaturvermittlung und -entstehung werfen dürften. Leider bestehen
bis heute erhebliche Probleme darin, die mittelalterlichen Bibliotheksbestände in Frauenklös¬
tern zu rekonstruieren, die zweifellos in der Norm mehr als nur die grundlegenden liturgi¬
schen Texte, Nekrologe und Memorialbücher enthielten, sondern auch ein breites Spektrum
anderer Werke aufzuweisen hatten.311 Wenn eine energische und um das Wohlergehen ihres
Klosters besorgte Äbtissin auftrat, konnten sich leicht vielfältige Bildungsreformen entfalten,
wie das Zeugnis der Helftaer Äbtissin Gertrud von Hakeborn belegt:
Divinam Scripturam valde studiose et mira delcctatione quandocumque poterat legebat, exigens a subditis
suis ut lectiones sacras amarent, et jugi memoria recitarent. Unde omnes bonos libros quos poterat, eccle-
siae suae comparabat, aut transcribi a Sororibus faciebat. Studiose et hoc promovebat, ut puellae in liberal-
ibus artibus proficerent, ita dicens, si Studium scientiae deperierit, cum amplius divinam Scripturam non
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Ebd., S. 360.
Ebd., S. 364.
Ebd., S. 372.
Gieba, Gudrun: ,„Ock grote Arbevt myt Scryven vor dyt convent gedaen.‘ Die spätmittelalterlichen Klo¬
sterreformen Westfalens in ihrem liturgischen und pragmatischen Schriftgut“, in: Signori (Hg.): Liesen, Schrei¬
ben, Sticken und Erinnern (wie Anm. 24), S. 107-122. Für ein weiteres Beispiel für das große Interesse an Me¬
morialbüchern in (Frauen)Klöstern des Spätmittelalters siehe Oldermann, Renate: Stift Fischbeck. Eine geistliche
Frauengemeinschaft in mehr als 10OOjähriger Kontinuität (Schaumburger Studien 64), Bielefeld 2005, S. 81-82.
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