lingt ihr; Merlin aber entdeckt Silences wahre Identität und die Machenschaften der Köni¬
gin, an deren Stelle jetzt Silence tritt, nachdem zuvor das weibliche Erbfolgerecht wieder¬
hergestellt (!) worden ist. Dass ausgerechnet diese einzige Handschrift während des Hun¬
dertjährigen Krieges beim Fall von Laval in englische Hand fiel (und in England blieb),
mag das zeithistorisch aktuelle Interesse an diesen Erzählungen demonstrieren.
ich möchte an dieser Stelle noch einmal zurückkehren zu der Frage, wie Genealogie ei¬
nerseits und Familienbeziehungen im Sinne der Kernfamilie andererseits in Elisabeths
Romanen miteinander verknüpft werden und dabei zwei Bereiche zur Demonstration an¬
sprechen, nämlich die Verbindung von Geld und Familie einerseits und erotische Kon¬
kurrenzen andererseits.
4. Geld und Familie
Elisabeths Romane arbeiten gleich mehrfach mit dem Motiv der Vatersuche und der Ver¬
treibung — beides impliziert genealogische und dynastische Unsicherheit, zum einen in
Hinblick auf die personale Einbindung, zum anderen aber auch auf die lokale Veranke¬
rung durch Landbesitz und Herrschaftsgewinn. Adelige Abstimmung manifestiert sich im
Hug Schapler ebenso wie im Herpin zunächst einmal an einem Konsumverhalten und an
materiellem Anspruchsdenken, das nicht nur die eigenen Verhältnisse völlig übersteigt,
sondern auch die Verwandten und Pflegeväter zu ruinieren droht. Als Hug Schapler einige
Jahre nach dem Tod seines Vaters allen Besitz der Familie durchgebracht hat, weil er sich
„sither so herlich vnd so köstlich gehalten [habe]/ das ich das myn vnd das sin als verthon
hab vnd dennocht me darzü“ (195), erinnert er sich plötzlich daran, dass es ja offenbar
auch noch diese reiche, nicht-standesgemäße Metzgersverwandtschaft gibt. Der Metzger-
Vetter weiß schon beim ersten Anblick, woran er ist („Jch sich wol das ir nit halten üwers
vatters stadt“; 195). Doch selbst das Angebot, alleiniger Erbe des reichen Metzgers zu
werden, kann Hug nicht mit der Aussicht versöhnen, dafür arbeiten zu sollen. Es sind die
klassischen adeligen Repräsentationswerte, die Hug dagegen setzt:
So hett ich gern ein yeglichen monat ein nüwes cleidt/ vnd hielt gern vier wind ein hasen zu iahen/
vnd ein par falcken zu heissen, vnd wer mir wol das ich dry pfyfifer vnd luten schlaher hett/das hört
ich lieber dann ein ochsen oder ein kalp blerren. (196)
Kein Wunder, dass angesichts solcher Perspektiven dem reichen Vetter „alles sin geblüt
begunde [...] zu grüselen (196)“ und er Hug liebend gerne mit 300 Gulden abfertigt. —
Noch viel deutlicher wird dieser qua Geburt erworbene Anspruch auf repräsentativen
Konsum im Herpin. Der nach der Entführung seiner Mutter von einer Löwin gesäugte
Sohn Herpins wird von dem Ritter Baldwin als Pflegekind angenommen (von einer offizi¬
ellen Adoption ist nie die Rede) und genießt die bestmögliche Erziehung für einen jungen
Adeligen, mit dem Ergebnis, dass Löw dessen gesamten Besitz durchbringt. Der freilich
überhäuft den vermeintlichen Vater statt mit Dank mit Vorwürfen und unterstellt, er
würde sein Geld vor ihm verstecken, bis dieser zu guter Letzt kapituliert und Löw über
seinen Status als Findling aufklärt. Das wiederum ändert die Ausgangssituation: Löw be¬
klagt heftig, „eines andern Gut verthan“ zu haben, „das nicht mein ist“ (358v) - beim Be¬
sitz der eigenen Familie wäre dies offenbar kein Problem gewesen. Wie wichtig jedoch
diese Möglichkeit zum repräsentativen Konsum für die Integration des zukünftigen Herr¬
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